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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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ist. Mit diesen Sinnen verlor der arme Ritter seinen Verstand und studierte die Meinung zu begreifen und zu entwickeln, die Aristoteles selbst nicht enthüllt und begriffen hätte, wenn er auch bloß darum auferstanden wäre. Er war nicht sonderlich mit den Wunden zufrieden, die Don Belianis austeilte und empfing, denn er gedachte, daß wenn ihn auch die größten Meister geheilt hätten, ihm dennoch kein Antlitz übrigbleiben und sein Körper nur aus Narben und Malen bestehen könne. Doch gab er darin dem Autor Beifall, daß er sein Buch mit dem Versprechen eines ungeheuerlichen Abenteuers beschließt, und oft kam ihm der Gedanke, die Feder zu ergreifen und es wirklich, wie jener versprochen, fortzuführen; auch hätte er es ohne Zweifel getan, wenn ihn nicht größere und anhaltende Gedanken abgehalten hätten. Es traf sich, daß er oft in Streit mit dem Pfarrer seines Dorfes geriet (der ein gelehrter Mann war und zu Siguenza graduiert), wer von beiden ein größerer Ritter sei, ob Palmerin von England oder Amadis von Gallia. Aber Meister Nikolas, der Barbier desselbigen Ortes, meinte, daß keiner dem Ritter des Phöbus gleich sei, oder wenn sich einer mit ihm messen dürfe, so sei es Don Galaor, der Bruder des Amadis von Gallia, dieser sei durchaus edel und ritterlich, nicht geziert und weinerlich wie sein Bruder, auch sei er in Ansehung der Tapferkeit besser beschlagen.
    Sein Lesen also verwickelte ihn so, daß er die Nächte damit zubrachte, weiter und weiter, und die Tage sich tiefer und tiefer hineinzulesen; und so kam es vom wenigen Schlafen und vielem Lesen, daß sein Gehirn ausgetrocknet wurde, wodurch er den Verstand verlor. Er erfüllte nun seine Phantasie mit solchen Dingen, wie er sie in seinen Büchern fand, als Bezauberungen und Wortwechsel, Schlachten, Ausforderungen, Wunden, Artigkeiten, Liebe, Qualen und anderem Unsinn. Er bildete dabei sich fest ein, daß alle diese erträumten Hirngespinste, die er las, wahr wären, daß es für ihn auf der Welt keine zuverlässigere Geschichte gab. Er behauptete, Cid Ruy Diaz sei zwar ein ganz guter Ritter gewesen, er sei aber durchaus nicht mit dem Ritter vom brennenden Schwerte zu vergleichen, der mit einem einzigen Hiebe zwei stolze und unhöfliche Riesen mittendurch gehauen habe. Mehr hielt er vom Bernardo del Carpio, weil er bei Roncesvalles den bezauberten Roland umgebracht, indem er die Erfindung des Herkules nachgeahmt, der den Antäus, den Sohn der Erde, in seinen Armen erwürgte. Viel Gutes sagte er vom Riesen Morgante, der, ob er gleich vom Geschlechte der Riesen abstammte, die alle stolz und unumgänglich sind, sich allein leutselig und artig betrug. Über alle aber ging ihm Reinald von Montalban, besonders wenn er ihn sah aus seinem Kastell ausfallen, rauben was er konnte, wenn er dann sogar das Bild des Mahomet entführte, welches ganz golden war, wie es die Geschichte besagt. Er sagte, um den Verräter Galalon einige Tritte geben zu können, er gern seine Haushälterin und als Zugabe auch seine Nichte fortschenken wolle.
    Als er nun mit seinem Verstande zum Beschluß gekommen, verfiel er auf den seltsamsten Gedanken, den jemals ein Tor auf der Welt ergriffen hat, denn es schien ihm nützlich und nötig, sowohl zur Vermehrung seiner Ehre als zum Besten seiner Republik ein irrender Ritter zu werden und mit Rüstung und Pferd durch die ganze Welt zu ziehen, um Abenteuer aufzusuchen und alles das auszuüben, was er von den irrenden Rittern gelesen hatte, alles Unrecht aufzuheben und sich Arbeiten und Gefahren zu unterziehen, die ihn im Überstehen mit ewigem Ruhm und Namen schmücken würden. Der Unglückliche stellte sich vor, daß er mindestens zum Lohn seines tapferen Armes als Kaiser von Trapezunt würde gekrönt werden, und mit diesen schönen Gedanken, angefrischt von seiner seltsamen Leidenschaft, dachte er nun darauf, seine Entwürfe in Ausübung zu setzen. Zuerst begann er damit, einige Waffenstücke zu reinigen, die er von seinen Urgroßvätern geerbt und die gänzlich mit Rost und Staub bedeckt vergessen in einem Winkel standen. Er putzte und schmückte sie, so gut er konnte, wobei er aber gleich einen großen Mangel bemerkte, daß der Helm nämlich nicht vollständig, sondern nur eine Pickelhaube sei; aber seine Erfindsamkeit half dem ab, denn er verfertigte aus Pappen die untere Hälfte und verband sie mit der Haube, die dadurch den Anschein eines vollständigen Helmes erhielt. Es ist wahr, daß, um zu erproben, ob er stark genug sei, die
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