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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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zog den ganzen Tag fort, ohne daß er auf etwas stieß, das der Erzählung würdig war, worüber er sich entrüstete, denn er wünschte nur Gelegenheit, um sogleich die Tapferkeit seines starken Armes zu erproben.
    Es sind Autoren der Meinung, daß das erste Abenteuer, das ihm begegnete, das am Hafen Lapice gewesen. Andere führen dasjenige mit den Windmühlen auf, aber alles, was ich hierin erforschen können, und was in den Jahrbüchern von la Mancha geschrieben steht, ist, daß er den ganzen Tag fortzog, und daß am Abend sein Roß und er vor Hunger beinah gestorben waren.
    Er schaute nach allen Seiten um, ob er nicht ein Kastell erspähen könne, oder eine Schäferhütte, um sich zu erquicken und seiner Not abzuhelfen. Endlich erblickte er unfern dem Wege, auf dem er ritt, eine Schenke, die ihm wie ein Stern entgegenschien, der ihn in das Tor oder die Freistätte seiner Leiden winkte. Er eilte dorthin und erreichte sie mit dem Anbruche des Abends. Unter der Tür standen von ungefähr zwei Mädchen, von jenen, die man die gutwilligen nennt, die mit einigen Maultiertreibern, welche in dieser Schenke ihr Nachtlager hielten, nach Sevilla gingen. Wie nun unserem Abenteurer alles, was er dachte, sah, oder sich einbildete, so erschien und sich zutrug, wie er es gelesen hatte, so kam es ihm sogleich, als er die Schenke sah, vor, dies sei ein Kastell mit seinen vier Türmen, mit Gesimsen von glänzendem Silber, mit Zubehör der Zugbrücke und des Burggrabens, nebst allen übrigen Dingen, mit denen dergleichen Kastelle geschildert werden. Er näherte sich der Schenke, die ihm ein Kastell schien, und da er nur noch wenig entfernt war, zog er dem Rosinante den Zügel an, in der Erwartung, daß ein Zwerg auf den Zinnen erscheinen würde, um mit einer Trompete das Zeichen zu geben, daß sich ein Ritter dem Kastelle nahe. Da er aber sah, daß er zögerte, Rosinante auch begierig war, sich dem Stalle zu nahen, so nahte er sich der Tür der Schenke und sah dort die beiden liederlichen Mädchen stehen, die ihm zwei schöne Fräulein oder zwei anmutige Damen schienen, die sich vor dem Tore des Schlosses in der Frische ergingen. Es traf sich indes, daß ein Schweinehirt, der von dem Stoppelfelde eine Herde Schweine (die ohne Gnade diesen Namen führen) versammeln wollte, und also in ein Horn stieß, auf dessen Schall sie alle zusammen kamen. Sogleich stellte sich Don Quixote das vor, was er wünschte, daß nämlich ein Zwerg das Zeichen seiner Ankunft gegeben habe. Mit großer Zufriedenheit also näherte er sich der Schenke und den Damen, die, da sie einen Mann auf diese Art gewaffnet, mit Schild und Lanze auf sich zukommen sahen, aus Furcht in die Schenke hineinlaufen wollten. Don Quixote aber, der ihre Furcht aus ihrem Entfliehen schloß, erhub sein Visier aus Pappen, zeigte sein mageres und bestäubtes Gesicht und sagte mit zierlicher Weise und sanfter Stimme diese Worte: »Fliehen Eure Gnaden nicht, und fürchten dieselben keinen Unglimpf, denn es gebeut der Orden der Ritterschaft, dem ich diene, keinen Raub oder Gewalttätigkeit an irgend jemand zu verüben, geschweige denn an so edlen Jungfrauen, mit denen mich Eure Gegenwart beglückt.«
    Die Mädchen sahen ihn an und suchten sein Gesicht mit den Augen, welches das schlechte Visier verdeckte, aber da sie sich Jungfern nennen hörten (etwas, das ihrem Gewerbe so fern lag), konnten sie das Lachen nicht zurückhalten, sondern sie lachten so laut, daß sich Don Quixote entrüstete und sprach: »Es geziemt Bescheidenheit den Schönen wohl, und große Torheit ist es überdies, mit schlechter Ursach lachen; doch sage dies nicht zu Eurer Anhörung, noch daß ich Übelwollen zeige, denn ich habe keinen anderen Willen, als Euer Diener zu sein.« Diese Sprache verstanden die Damen nicht, und das üble Aussehen unseres Ritters vermehrte ihr Gelächter sowie seinen Zorn; sie hätten auch darin fortgefahren, wenn der Schenkwirt nicht hinzugekommen wäre, ein Mann, der, wie er sehr fett, auch überaus friedliebend war; als dieser diese Gestalt scheußlich gerüstet mit so ungeziemlichen Waffen, als der Zaum des Pferdes, die Lanze, der Schild und der kleine Harnisch war, erblickte, so fehlte wenig, daß er nicht das Vorbild von Fröhlichkeit der beiden Mädchen nachgeahmt hätte. Da er aber doch diese umbollwerkte Figur fürchtete, so entschloß er sich, höflich zu reden und sprach also: »Wenn Eure Gnaden, Herr Ritter, Ruhe suchen, so finden sie außer einem Bette (denn wir haben keins in
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