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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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Páduas?»
    «Ich wollte Ihnen das schon seit geraumer Zeit sagen, habe jedoch nie den Mut dazu gefunden. Es erscheint mir unschicklich, dass unser Bentinho sich mit der Tochter des Tartarugas in den Ecken herumdrückt, das ist die Schwierigkeit, denn wenn die beiden sich ineinander verlieben, werden Sie heftig kämpfen müssen, um sie wieder auseinanderzubringen.»
    «In den Ecken herumdrücken? Das glaube ich nicht.»
    «Das ist nur eine Redensart. Sie stecken dauernd zusammen, haben Geheimnisse miteinander. Bentinho ist fast nur noch dort drüben. Die Kleine ist ein dummes Ding, und der Vater tut so, als würde er nichts merken. Es käme ihm ja auch sehr gelegen, wenn die Sache sich so entwickeln würd e … Aber ich verstehe schon, Sie glauben nicht an eine derartige Berechnung, für Sie haben alle Menschen eine edle Seele.»
    «Aber Senhor Dias, ich sehe doch, wie die beiden Kleinen miteinander spielen, und da war nie etwas, das mich misstrauisch gemacht hätte. Und sie sind ja auch noch so jung. Bentinho ist noch keine fünfzehn, und Capitu ist letzte Woche vierzehn geworden; das sind doch noch Kinder. Sie dürfen nicht vergessen, dass die beiden wie Geschwister aufwachsen, seit die Familie Pádua bei dieser großen Überschwemmung vor zehn Jahren so viel verloren und unsere nachbarschaftliche Verbundenheit ihren Anfang genommen hat. Und da soll ich glauben, das s …? Bruder Cosme, was sagst du dazu?»
    Onkel Cosme antwortete mit einem «Nun ja!», was, ins Allgemeinverständliche übersetzt, so viel hieß wie: «Das sind doch nur Hirngespinste von José Dias. Die Kleinen haben ihren Spaß, und ich habe meinen. Wo ist das Tricktrack-Spiel 5 ?»
    «Ich glaube wirklich, dass Sie sich täuschen.»
    «Gut möglich, gnädige Frau. Hoffentlich haben Sie recht; aber glauben Sie mir, dieser Äußerung meinerseits gehen lange Beobachtungen vorau s …»
    «Trotzdem ist es an der Zeit», unterbrach ihn meine Mutter. «Ich werde mich darum kümmern, dass er so schnell wie möglich ins Seminar kommt.»
    «Wenn Sie nicht von dem Gedanken abgekommen sind, aus ihm einen Priester zu machen, dann ist ja das Wesentliche erreicht. Bentinho wird den Wunsch seiner Mutter erfüllen. Zumal die brasilianische Kirche hoch hinaus will. Wir sollten schließlich nicht vergessen, dass ein Bischof unserem ersten Parlament vorstand und dass Pater Feijó 6 kurzzeitig unser Kaiserreich regiert ha t …»
    «Ja, das hat er, aber ganz auf seine Art», schnitt Onkel Cosme ihm das Wort ab, von einem alten politischen Groll erfasst.
    «Verzeihen Sie, Herr Doktor, ich verteidige niemanden, ich benenne Tatsachen. Ich will damit nur sagen, dass der Klerus in Brasilien noch eine große Rolle spielt.»
    «Was Sie wollen, ist ein Spielchen machen. Los, holen Sie schon das Tricktrack! Und was den Kleinen betrifft, falls er wirklich Priester werden soll, finge er besser gar nicht erst an, Messen hinter den Türen zu lesen. Aber ist es denn wirklich unbedingt notwendig, dass er Priester wird, Schwester Glória?»
    «Es ist ein Gelübde, und das muss man halten.»
    «Ich weiß, dass du ein Gelübde abgelegt has t … aber ein derartiges Gelübd e … ich weiß ja nich t … Wenn ich es mir recht überlege, glaube ic h … Was sagst du dazu, Base Justina?»
    «Ich?»
    «Natürlich weiß jeder selbst am besten, was er tut», fuhr Onkel Cosme fort. «Nur Gott weiß es für uns alle. Dennoch, ein Gelübde, das schon so alt is t … Aber Schwester Glória, was ist mit dir? Du weinst ja! Das ist doch kein Grund zu weinen!»
    Meine Mutter schnäuzte sich ohne zu antworten die Nase. Ich glaube, Base Justina stand auf und trat zu ihr. Es folgte absolutes Stillschweigen, und ich war drauf und dran, den Salon zu betreten, doch eine größere Kraft, eine größere Emotio n … Onkel Cosmes darauffolgende Worte konnte ich nicht verstehen. Base Justina mahnte: «Base Glória! Base Glória!» José Dias entschuldigte sich: «Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nichts gesagt, aber ich tat es aus Ehrfurcht, aus Hochachtung, aus Zuneigung, um eine bittere Pflicht zu erfüllen, eine äußerst bittere Pflich t …»
    4
    Eine äußerst bittere Pflicht!
    José Dias liebte die Superlative. Damit verlieh er seinen Gedanken einen monumentalen Anstrich; hatte er keine Gedanken, dann dienten sie dazu, seine Sätze zu verlängern.
    Er stand auf und ging das Tricktrack holen, das sich im hinteren Teil des Hauses befand. Ich presste mich an die Wand und sah, wie er in seinen
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