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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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zuging und ihn an mein Herz drücken wollte. Doch ich hielt mich zurück und sah ihn nur an, wie man einen echten Sohn anblickt. In seinen Augen lag Zärtlichkeit und Dankbarkeit.
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    Es war nicht Lepra
    Es war nicht Lepra, aber in jenen Breiten gibt es viele Fieberarten, alte und neue. Elf Monate später starb Ezequiel an Typhus und wurde in der Nähe von Jerusalem beigesetzt, wo seine beiden Studienfreunde ihm ein Grab mit einer Inschrift auf Griechisch errichteten, die aus dem Buch des Propheten Hesekiel stammte: «Du warst ohne Tadel in deinem Tun». Sie schickten mir den Text auf Griechisch und auf Latein, außerdem eine Zeichnung von dem Grab, die Abrechnung all seiner Ausgaben und den Rest des Geldes, das er mitgehabt hatte. Ich hätte das Dreifache bezahlt, um ihn loszuwerden.
    Da ich den Text überprüfen wollte, schlug ich in meiner Bibelübersetzung nach und stellte fest, dass er zwar richtig war, aber noch weiterging: «Du warst ohne Tadel in deinem Tun von dem Tage an, als du geschaffen wurdest». 83 Ich hielt inne und fragte mich: «An welchen Tag war Ezequiel wohl geschaffen worden?» Niemand antwortete mir. So muss den vielen Geheimnissen dieser Erde nun ein weiteres hinzugefügt werden. Dennoch aß ich gut zu Abend und ging ins Theater.
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    Die Retrospektive
    Du weißt ja bereits, lieber Leser, dass meine Seele, so verletzt sie auch war, dennoch nicht in irgendeinem Winkel verkümmerte wie eine blasse, einsame Blume. Diese Farbe oder Nicht-Farbe habe ich ihr nie gegeben. Ich lebte, so gut ich konnte, und es mangelte mir nicht an Freundinnen, die mich über den Verlust der ersten hinwegtrösteten. Doch es waren zugegebenermaßen nur kurze Affären. Die Frauen verließen mich wieder, wie Menschen, die sich eine Retrospektive ansehen und dann genug haben, oder weil langsam das Licht im Saal ausgeht. Nur eine dieser Besucherinnen parkte ihren eigenen Wagen mit Kutscher in Livree vor meiner Tür. Die anderen waren bescheidener und gingen calcante pede 84 , und wenn es regnete, holte ich eine Kutsche vom Platz und setzte die Damen mit großem Abschiedszeremoniell und besten Empfehlungen hinein.
    «Hast du den Katalog?»
    «Ja, den habe ich. Bis morgen.»
    «Bis morgen.»
    Sie kamen nicht wieder. Ich blieb an der Tür stehen und wartete, ging zur nächsten Ecke und spähte die Straße aus. Ich warf einen Blick auf die Uhr, doch niemand war zu sehen. Erschien schließlich doch eine weitere Besucherin, reichte ich ihr den Arm und geleitete sie hinein. Ich zeigte ihr die Landschaften, die Historien- und Genregemälde, ein Aquarell, ein Pastell und ein Gouache-Bild. Bald aber wurde auch diese es leid und machte sich mit dem Katalog in der Hand davo n …
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    Nun gut, und was bleibt?
    Warum aber ließ mich keine dieser Schönen die erste Geliebte meines Herzens vergessen? Vielleicht, weil keine von ihnen Augen wie das wogende Meer hatte und auch nicht die einer listigen, hinterhältigen Zigeunerin. Und doch ist das nicht wirklich das, was von diesem Buch bleibt. Was bleibt, ist die Frage, ob die Capitu vom Strand von Glória bereits in der aus der Rua de Matacavalos enthalten oder ob sie durch irgendeinen Vorfall dort dazu geworden ist. Hätte Jesus Sirach von meinen ersten Eifersuchtsanfällen erfahren, hätte er mir wie in seinem 9. Kapitel, Vers 1, gesagt: «Wache nicht zu eifersüchtig über die Frau in deinen Armen, sonst bringst du sie dahin, dir Böses anzutun.» Aber daran glaube ich nicht, und du wirst mir sicher zustimmen, lieber Leser. Wenn du dich genau an das Mädchen Capitu zurückerinnerst, wirst du erkennen, dass die eine bereits in der anderen enthalten war wie eine Frucht in ihrer Schale.
    Wie auch immer die Antwort lautet, eine Sache bleibt, und die ist die Summe aller Summen, der Rest aller Reste, nämlich das Wissen, dass das Schicksal es so wollte, dass meine beste Freundin und mein bester Freund, die beide so maßlos und gleichzeitig so liebenswert waren, sich zusammentaten, um mich zu betrüge n … Möge die Erde ihnen leicht sein! Machen wir uns nun an die «Geschichte der Vorstädte».

NACHWORT
    Hat sie oder hat sie nicht? Diese Frage beschäftigt die Leser des Dom Casmurro seit Erscheinen des Romans im Jahr 1899, seit mittlerweile also über hundert Jahren, immer wieder von Neuem. Hat Capitu ihren Bento verraten, hat sie Ehebruch begangen und ein Kind zur Welt gebracht, dessen Vater nicht der rechtmäßige Ehemann, sondern dessen Freund ist? Hat Bento recht mit seinen
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