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Dollbohrer!

Dollbohrer!

Titel: Dollbohrer!
Autoren: Hendrik Nachtsheim
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die Hände, worauf nur Sekunden später sein persönlicher Berater in den Raum eilte.
    »Mein lieber Oppa, hör gut zu«, empfing ihn Alfons. Der Berater hasste diesen Spitznamen, denn von Haus aus hieß er Oliverio-Pepillo-Prospero-Anselmo de Marquez, aber weil seinem Arbeitgeber diese kunstvolle Namenskreation zu kompliziert erschien (»Das kann sich doch keine Sau merken!«) hatte der diese auf das Rüdeste abgekürzt. Was nicht nur unter ästhetischen Gesichtspunkten wehtat, sondern auch deshalb so unpassend war, weil er erst vor Kurzem gerade mal seinen siebenundzwanzigsten Geburtstag gefeiert hatte! Wie auch immer, Alfons wollte etwas von ihm, also setzte er sich an das Schreibpult aus Mandelbaumholz, zückte sein Schreibgerät und wartete auf Instruktionen.
    »Also, Oppa, Folgendes müsst Ihr mir besorgen. Ich brauche eine große Pfanne, deutlich größer als die, die der Koch hat. Ich brauche einen großen hitzebeständigen Behälter, in dem ich ein Feuer entfachen kann, und vor allem brauche ich eine so gute Verkleidung, dass mich jeder da draußen für eine arme alte Frau hält!«
    Oppa musterte ihn kurz von der Seite.
    »Hm«, dachte er, »wenn ich mir seinen dicken Körper mit den speckigen Brüstchen, sein verweichlichtes Gesicht und seine langen fettigen Haare so anschaue, dürfte Letzteres das geringste Problem sein! Selbst ohne Kostümierung …«
    Kurz drauf verließ der König, verkleidet als altes Weib, auf einem wackligen Pferdewagen das Schloss, um nach Madrid zu fahren. Dort angekommen, suchte er sich auf dem zentral gelegenen Marktplatz einen strategisch besonders günstigen Platz. Dann entfachte er in einem großen Eisenkessel ein Feuer und schüttete trockenen Reis in die Pfanne, die er nun über die Flammen hielt. Schon kurz drauf blieb eine junge Marktfrau bei ihm stehen und betrachtete kopfschüttelnd sein Tun.
    »Was macht Ihr denn da, alte Frau?«, fragte sie.
    »Ich koche mir mein Essen!«, krächzte der König zurück.
    »Aber das ist nur Reis! Das schmeckt doch gar nicht!«
    »Doch!«
    »Nein!«
    »Doch!«
    »Warum tut Ihr denn nicht noch etwas anderes dazu?«
    »Was denn zum Beispiel?«, fragte der König und legte ein erstaunlich glaubwürdiges Maß an Naivität in seine Stimme.
    »Nun, ich hätte hier zum Beispiel ein frisches und edles Gewürz namens Safran, das würde es schon schmackhafter machen. Außerdem würde es Eurem Reis eine wunderschöne, goldgelbe Farbe verleihen!«
    »Safran? Nein, ich glaube nicht, dass das passt!«
    »Ich kenn mich aus, ich weiß, was schmeckt!«
    »Nein, für kein Geld der Welt würde ich das meinem Reis antun!«
    »Ach ja? Und was ist, wenn ich Euch hundert Peseten gebe, damit ich Euch den Safran in die Pfanne schneiden darf?«
    »Hmmmm«, stöhnte er, wie es auch alte Weiber nicht besser konnten, »ich weiß nicht …«
    Der König machte seine Sache gut!
    »Na gut … zweihundert, mehr hab ich nicht!«
    »Also meinetwegen … aber nur unter der Bedingung, dass Ihr mich nicht länger anbettelt!«
    Kurz drauf hielt er das Geld in seiner Hand und sah der Marktfrau beim Safranschnippeln zu. Ein Mann in feinem Zwirn, offensichtlich ein Handlungsreisender, hatte die Szene beobachtet.
    »Suçuk wäre gut!«, sagte er mit wissendem Nicken.
    »Nein, um Gottes willen, ich will doch keinen kompletten Vogel braten!«, empörte sich der Staatschef.
    »Nicht ›Kuckuck‹ sondern ›Suçuk‹! Das ist türkische Knoblauchwurst!«
    Und weil er bereits mitbekommen hatte, wie das hier lief, drückte er der alten Schabracke mit der Pfanne ebenfalls zweihundert Peseten in die Hand, um dann aus einem Beutel fingerlange Würste zum Reis und dem Safran zu schütten. Jetzt war die Sache am Laufen! In kürzester Zeit bildete sich eine lange Menschenschlange. Und jeder bestand darauf, die entscheidende Zutat, nämlich die seine, in die Pfanne zu werfen.
    Huhn, Schweinerippen, Kaninchen, Stücke vom Königspudel, kleine Schnecken, geriebene Tomaten, in Streifen geschnittene Paprikaschoten, grüne Bohnen, rote Bohnen, aber auch weiße Bohnen, Artischocken usw. Auch weitere Gewürze wurden dazugegeben, genauso wie getrocknete Kakerlaken, geriebener Pferdedung, Holzstücke, Nägel und verschiedene Sorten von Kieselsteinen.
    Schließlich war nichts in der Pfanne, was es nicht gab.
    »So«, rief der König in Frauenkleidern, »und wer will als Erster probieren?«
    Jeder wollte. Was sehr gut war, denn so konnte er das eben erst bewährte Prinzip gleich ein zweites Mal
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