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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen
Autoren: Richard Gordon
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verstehen, wie Attlee dabei seine Gelassenheit, ja seinen guten Verstand bewahren konnte.»
    Der Dean sagte gekränkt: «Ich stehe zufälligerweise heute in der Zeitung.»
    «Wegen Geschwindigkeitsübertretung? Ein Mann deines Alters sollte keinen Lotus fahren.»
    «Ich bin einem neuen Konsortium beigetreten», erklärte der Dean stolz. «Unter der Leitung von Hamilton Tosker. Ein bemerkenswerter Mann!»
    «Meinst du Ned Kellys kleinen Bruder?» fragte Sir Lancelot neugierig-
    «Ein genialer Australier!» korrigierte ihn der Dean überschwenglich. «Reinste Eifersucht, wenn man seine Tätigkeiten hierzulande übelnimmt. Er baut nicht nur Fernstraßen und Flugplätze, Hotels und Krankenhäuser, er ist ein Geschäftsmann von großartigem Unternehmungsgeist. Er hat in aller Stille mehrere Erzeuger medizinischer Einrichtungen für einen brillanten neuen Plan gewonnen. Wir wollen den Arabern Fertig-Krankenhäuser verkaufen. Ein Kopplungsgeschäft: das Haus komplett eingerichtete Stationen und komplett ausgestattete OPs Sauerstoffzelte, Blutbanken, Röntgenapparate, Elektronenmikroskope - was alles so dazugehört.»
    «Und die Ärzte und Krankenschwestern?» erkundigte sich Sir Lancelot.
    «Kein Problem.» Der Dean klopfte sich auf die Brust. «Das ist mein Job. Jeder, den ich aufnehme, zieht im Sonnenschein in ein funkelnagelneues Hospital ein, nimmt sein Skalpell oder Stethoskop zur Hand und beginnt zu arbeiten. Bei ungefähr zehnfachem Einkommen verglichen mit unserem hier. Ein wundervolles Exportunternehmen. Und ein großartiger humanitärer Dienst an den unterentwickelten Nationen», fügte er feierlich hinzu.
    «Was zahlt dir Tosker?»
    «Das ist meine Sache.»
    «Wenn du deine Freizeit durchaus für so etwas verwenden willst, kann ich dich nicht daran hindern. Ich persönlich ziehe das Angeln mit der Fliege vor.»
    «Ja, aber wie sich einem die Welt auftut! Macht, Finanzkraft, Politik...Weißt du, es kommt auf die richtigen Kontakte an. Ein Mensch wie Hamilton Tosker braucht nur den Telefonhörer abzuheben, und schon ist er mit der Downing Street verbunden. Manchmal denke ich, daß ich - hätte ich nicht beschlossen, mein Leben dem Dienst an der Menschheit zu weihen—» der Dean starrte die Decke des Speisezimmers mit nachdenklich gekurvten Brauen an - «ebenfalls Millionär hätte werden können. Es ist eigentlich gar nicht soviel dabei.»
    «Und wie läßt sich das mit deiner Tätigkeit für den Volksgesundheitsdienst vereinbaren?» Sir Lancelot faßte ihn eindringlich ins Auge. «Und mit deiner Mitgliedschaft beim Gesundheitsamt?»
    «Da gibt es nicht den geringsten Interessenkonflikt», erwiderte der Dean unbekümmert. «Du kannst manchmal geradezu deprimierend puritanisch sein, Lancelot. Ein Anflug von Freibeutergeist war es, der dieses unser Land groß gemacht hat. Denke doch an Raleigh, Drake, Clive in Indien, an diese Sorte Burschen. Ich habe heute mittag noch ein sehr wichtiges Arbeitsessen mit Hamilton Tosker, um unsere Strategie festzulegen. Da fällt mir übrigens ein, daß ich heute meine Drei-Uhr-Vorlesung über die Nieren absagen muß. Diese Arbeitslunches eröffnen alle möglichen Diskussionen über alle möglichen Aspekte, weißt du. Wahrscheinlich werde ich einen Großteil des Nachmittags beschäftigt sein. Ißt du diesen Fisch nicht?»
    «Er gehört dir, falls du eine Fischvergiftung riskieren willst.»
    Der Dean stand auf und fegte die Brotkrumen von seinem leichten grauen Anzug. «Jetzt muß ich in die Harley Street. Am Donnerstag arbeitest du im Heiligen Grab, nicht wahr? Eine sehr heilsame Erfahrung für dich, kann ich mir vorstellen. Gott sei Dank liegt dort kein einziger meiner Patienten. Da möchte ich noch lieber Lagerarzt in Sibirien sein.»
    «Heute bin ich in Begleitung.» Auch Sir Lancelot stand auf. «Ms. Amelia Witherspoon - sie legt angeblich Wert auf das Ms. - aus Boston. Sie schrieb ein tiefschürfendes wissenschaftliches Werk mit dem Titel Schrumpfe.»
    Der Dean runzelte die Brauen. «Über Wäschereien?»
    «Über Psychiater. Im Amerikanischen werden sie Kopfjäger genannt, Hersteller von Schrumpfköpfen...Ich entnehme dem Buch allerdings, daß in den Vereinigten Staaten die bemerkenswertesten, um nicht zu sagen drastischsten Eingriffe auf psychiatrischem Gebiet nicht so sehr im Seelenleben wie im Bankkonto des betreffenden Patienten vorgenommen werden. Ms. Witherspoon bereist derzeit die ganze Welt, um die verschiedenen Systeme der Krankenfürsorge zu studieren.
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