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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug
Autoren: Georg Gracher
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ungenutzt verstreichen lassen.
    »Auch Julie, die
     Tochter Ihres Mannes, hat niemanden mehr. Mir läuft es jetzt noch
     eiskalt über den Rücken, wenn ich daran denke, dass Wegener sie
     noch am Alpl hätte erwischen können. Für sie wäre es
     gerade jetzt ungeheuer wichtig, eine Bezugsperson zu haben. Vielleicht könnte
     man mal darüber nachdenken?«
    »Sie meinen wohl, frau
     könnte darüber nachdenken?«
    »Ja, und auch über
     die tragische Rolle, die Julies Mutter spielen musste. Amanda, Lotte
     Heinrich hatte Ihren Hass in keinem Augenblick ihres bemitleidenswerten
     Lebens verdient. Und jetzt, da sie tot ist, braucht sie ihn noch weniger.«
    »Schon gut, ich weiß,
     dass der einzige Schuldige mein Mann war, und ich gebe auch zu, dass ich
     meinem jahrelangen Frust der Einfachheit halber das Gesicht von Lotte
     gegeben habe. Ich werde mir Ihren Vorschlag durch den Kopf gehen lassen.«
    Es klopfte an der Tür.
    »Moment«, rief
     Kotek, »ich bin noch nicht fertig!«

 
    48
    DER BESUCHERANSTURM war
     beachtlich, und er hätte noch wesentlich größere Ausmaße
     angenommen, hätten die Ärzte ihm nicht einen Riegel
     vorgeschoben. So meldeten sich die Ausgesperrten, die auf später
     vertröstet wurden, per SMS oder telefonisch mit Genesungswünschen.
     Neben dem vollzähligen Sechserpack, Jacobis Tochter Nadine, deren
     Freund Alexander und Dr. Wächter hatte sich auch Oberstaatsanwalt Dr.
     Ewald Rothmayer eingefunden.
    Koteks Appell, keine Blumen
     mitzubringen, war natürlich ignoriert worden, sodass sie eine
     Pflegerin bat, sämtliche Gerberasträuße und Orchideen zu
     versorgen. Letztlich waren es doch so viele Besucher, dass Nadine, Alex
     und Cornelia Wächter das Krankenzimmer wegen Platzmangels vorübergehend
     wieder verließen.
    Zunächst begann Dr.
     Rothmayer, die Zeugenaussagen von Kotek und Häuslschmied zu den
     Begebenheiten im Naßfeld und in den Siglitz-Stollen per Rekorder zu
     protokollieren.
    Die alte Frau schilderte den
     Ablauf der Ereignisse aus ihrer Sicht weitgehend emotionslos, Kotek musste
     kaum korrigieren oder ergänzen. Feuersang und Redl, die Koteks
     Nachricht im Aschenschuber gefunden hatten, bestätigten den Bericht,
     soweit sie die Aktionen im Landhaus nachvollziehen konnten.
    Erst als die Rede auf die
     brutale Ermordung der Gendarmerieschülerin Tina Hohenauer kam, wurden
     Häuslschmieds Augen feucht.
    »Ich weiß nicht,
     warum ich gezögert habe, Wegener das Versteck des Goldes zu nennen,
     aber ich weiß sehr wohl, dass ich es mir für den Rest meines
     Lebens nicht verzeihen werde.«
    »Das ist doch Unsinn,
     Amanda«, hielt Kotek sofort dagegen und dachte dabei an Lotte
     Heinrich. »Sie sind nicht schuld daran, dass Tina tot ist. Wegener
     war ein Irrer, und hätte ihn nicht die eigene Gier getötet, dann
     wären wir die Nächsten gewesen, die er umgebracht hätte.«
    »Wegener war tatsächlich
     seelisch krank«, bestätigte Jacobi. »In Regenmandls Range
     Rover, der in Kolm-Saigurn sichergestellt worden ist, haben wir unter
     anderem starke Psychopharmaka gefunden.«
    Wie von Kotek vorhergesagt
     worden war, stellte Häuslschmieds Verschweigen der Sprengfalle, die
     den Tod von Gruppeninspektor Werner Wegener herbeigeführt hatte, kein
     Problem dar. Kotek und Häuslschmied waren Zeugen der Ermordung Tina
     Hohenauers gewesen, und Wegener hatte bereits angekündigt gehabt,
     auch sie zu töten. Der Tatbestand der Notwehr war dadurch einwandfrei
     gegeben, daran ließ der Oberstaatsanwalt keinen Zweifel. Trotzdem würden
     die Umstände, die zu Wegeners Ableben geführt hatten, Gegenstand
     einer Gerichtsverhandlung sein – wie in jedem anderen vergleichbaren
     Fall auch.
    »Was nun dieses dubiose
     Nazigold betrifft«, wechselte Rothmayer das Thema, »so hat das
     ja keiner der hier anwesenden Zeugen im Stollen je gesehen. Auch Sie
     nicht, Frau Häuslschmied, oder irre ich mich da?«
    »Nein, Sie irren sich
     nicht. Mir war die Lage des Verstecks bekannt, im Nachlass meines Mannes
     befand sich ein genauer Plan und ich war auch zwei Mal vor Ort. Ich wusste
     sogar, wie viele Barren noch vorhanden sein mussten, aber die Sprengfalle
     hat meine Neugier immer im Zaum gehalten. Was nicht heißt, dass ich
     nie etwas von dem Gold gesehen hätte. Auch Frau Kotek weiß
     inzwischen, wofür mein Mann einen Teil des Schatzes verwendet hat.
     Ehe Hans damals nach Liechtenstein fuhr, um über seinen Hehler
     Schweigegeld zu beschaffen, hab ich heimlich einen
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