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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug
Autoren: Georg Gracher
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Blick auf einen Barren
     geworfen, den er bei uns daheim zwischenlagerte. Er trug den Prägestempel
     der königlich-ungarischen Nationalbank –«       
    »Königlich-ungarisch?«,
     unterbrach Rothmayer ungläubig. »Aber die österreichisch-ungarische
     Monarchie gibt es doch schon seit neunzehnhundertachtzehn nicht mehr.«
    Jacobi räusperte sich.
     »Das gilt nur für Österreich, Ewald«, soufflierte er
     dezent. »Nach ein paar Monaten der Räterepublik wurde in Ungarn
     neunzehnhundertzwanzig die Monarchie wieder eingeführt und von
     Vizeadmiral Miklós Horthy als Reichsverweser bis zum Oktober
     vierundvierzig verwaltet. Prägestempel der Monarchie auf ungarischen
     Goldbarren sind im Frühjahr fünfundvierzig also durchaus noch möglich
     gewesen.«
    »So? Nun, man kann
     nicht alles wissen, und wir von der Internetgeneration erst recht nicht,
     haha!« Aber nur Rothmayer selbst schien sich über sein Bonmot
     zu amüsieren. »Wie auch immer: Das Innenministerium hat uns,
     was dieses Gold anlangt, einen Maulkorb verpasst. Das heißt, dass
     wirklich nichts darüber an die Medien geht. Haben wir uns verstanden?«
    Er blickte in die Runde. Die
     meisten nickten, nur Kotek ließ ihn nicht so leicht davonkommen.
     »Aber welche Motive haben Wegener dann zu den vier Morden
     veranlasst?«
    Rothmayer hatte diese Frage
     erwartet. »Wir müssen so weit wie möglich bei der Wahrheit
     bleiben. Also habe ich mir Folgendes überlegt: Wegener glaubte zu
     wissen, dass Hans Häuslschmied den Großteil seines Vermögens
     in Gold angelegt hat, weil er … nun, weil er im Kielwasser der
     OPEC-Krise dreiundsiebzig eine weltweite Finanzkrise befürchtet
     hatte. Dieses Gold sollte Frau Häuslschmied nun abgepresst werden,
     aber es war nicht mehr vorhanden. Das müssen wir sagen …«
    »… um keine
     Abenteurer anzulocken«, ergänzte Kotek. »Ist klar.«
    »Das hoffe ich, auch
     wenn du nicht sehr begeistert klingst, Melanie. Alles andere kann eins zu
     eins veröffentlicht werden.«
    Kotek zuckte mit den Achseln.
     »Bin nur gespannt, ob die alten Hasen das fressen.« Mit den
     alten Hasen waren die erfahrenen Journalisten gemeint.
    »Falls denn tatsächlich
     einige Barren in jenem Schacht unten liegen sollten«, fuhr Rothmayer
     fort, ohne ihren neuerlichen Einwurf zu kommentieren, »so ist zu
     bedenken, dass sie nicht einmal dem österreichischen Staat gehören.
     Sie zu bergen, die Eigentumsfrage zu klären und sie dann dem rechtmäßigen
     Besitzer zurückzuerstatten, das würde nicht nur eine Unmenge an
     Papierkram bedeuten, sondern wahrscheinlich auch mehr kosten, als die
     Barren wert sind. Capito?«
    Kotek hatte verstanden. Man
     hatte vor, über die Causa »Nazigold« Gras wachsen zu
     lassen. Nach angemessener Zeit sollte die Initiative dann diskret der
     immer noch existierenden Bergbaugesellschaft überlassen werden, natürlich
     ebenfalls unter der Auflage strengsten Stillschweigens.

 
    49
    AUS RÜCKSICHT auf Koteks
     Gehirnerschütterung hatten sich fast alle Besucher bald wieder
     verabschiedet, und Jacobi war jetzt mit seiner Partnerin im hellen
     Aufenthaltsraum der Internen allein. Sie saßen an einem Fenstertisch
     und schwiegen. Jacobi hielt Koteks Hände in den seinen.
    In einem der Schwesternzimmer
     polterte etwas Metallenes, vielleicht eine Alu-Leibschüssel, zu
     Boden.
    »War das der Stein, der
     dir jetzt noch nachträglich vom Herzen gefallen ist?«, flachste
     sie, um das Schweigen nicht zu ernst werden zu lassen.
    Er seufzte vernehmlich, was
     sonst nicht seine Art war. »Könnte durchaus sein. Gestern hätte
     ich mich den ganzen Tag lang für die Idee, dem Mörder eine Falle
     zu stellen, ohrfeigen können. Schließlich sind wir auch ohne
     dieses haarige ZSP auf Werner gekommen.«
    »Ja, und dafür
     musste der arme Stubi die Birne hinhalten.«
    »Leider. Ohne unsre
     himmelschreiende Naivität wären wir sicher noch einen Tick
     schneller gewesen und hätten ihm das erspart. Die Route durchs Naßfelder
     Tal war für Wegener tabu, so schlau war er allemal, auch ohne dass er
     von Lenz und Leo wusste. Also war der Imhof-Stollen eine überlegenswerte
     Alternative für ihn, wobei das Knacken des Kolm-Saigurner Portals für
     einen technisch so versierten Allrounder kein Problem darstellte. Und
     sicherer als Touren über Baukarlscharte oder Miesbühelscharte,
     die ein hohes persönliches Risiko für ihn bedeutet hätten,
     war diese Variante auch. Aber wir kommen auf
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