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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug
Autoren: Georg Gracher
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Jahren Arbeit beim
     Referat 112 weiß ich schließlich, wie er und das Sechserpack
     ticken. Der Mord an Schleißheimer wäre vielleicht noch eine
     Zeit lang als Beziehungskiste durchgegangen, aber die folgenden
     keinesfalls. Und die Zeit wurde auch immer knapper, weil Jacobi nach
     Amandas Anruf bei der toten Lotte Heinrich viel zu früh auf das
     Nazigold aufmerksam geworden ist und die richtigen Schlüsse gezogen
     hat. Mir war sofort klar, dass ich das Land verlassen muss, und ebenso
     wusste ich, dass man Stubenvoll spätestens am nächsten Tag
     finden würde.«       
    »Stubi? Was hast du mit
     ihm gemacht?«, fuhr Kotek auf und vergaß einen Augenblick lang
     die eigene aussichtslose Lage.
    Wegener blies die Atemluft hörbar
     durch die Nasenlöcher aus, um seiner Missbilligung Ausdruck zu
     verleihen. »In seiner fürsorglichen Art wollte er mir verdammt
     noch einmal genau zu dem Zeitpunkt einen Krankenbesuch abstatten, als ich
     mit Regenmandls Wagen von der Ettenau zurückkam. Aber anstatt mich
     blass geschminkt im Bett vorzufinden, ist er mir vor dem Zinshaus
     begegnet, als ich einparkte.«
    »Du bist mit einem zur
     Fahndung ausgeschriebenen Wagen am helllichten Tag durch die Gegend
     gefahren?«
    »Natürlich nicht
     mit Regenmandls Nummernschildern.«
    »Aber du hast Oliver
     nicht …?«
    »Nein, ich hab ihm nur
     eins übergezogen, weil zum Glück niemand in der Nähe war.
     Dann hab ich ihn gut verpackt in meinem Kellerabteil abgelegt, bevor ich
     nach Kolm-Saigurn gefahren bin. Genau wie du jetzt sollte er meine
     Versicherung sein, falls nicht alles so laufen würde wie vorgesehen.
     Aber nun, meine Liebe, habe ich dank Tinas Unterstützung den kleinen
     Vorsprung so ausgebaut, dass mich auch Jacobi nicht mehr einholen wird.
     Dich und Amanda brauche ich nicht mehr. Im Vergleich zu euch hat Oliver Glück,
     ihn wird man lebend finden.«

 
    45
    FEUERSANG HATTE das Landhaus
     erreicht. Auch wenn er Kräfte hatte wie ein Stier, bei einer so
     anspruchsvollen Tour querfeldein konnte er mit Redls Schnelligkeit und Zähigkeit
     nicht mithalten. Sein Kollege war bereits seit zehn Minuten vor Ort und
     hatte von der Gartenmauer aus die Lage gecheckt.
    Längst befanden sich
     auch Alpingendarmerie und MEK von Böckstein her im Anmarsch, und da
     inzwischen auch der Schneefall nachgelassen hatte, wartete zusätzlich
     ein Hubschrauber in St. Johann auf die Starterlaubnis.
    Redl nahm das StG 77 von der
     Schulter und drückte es dem nach Luft ringenden Feuersang in die Hände.
    »Gib mir Feuerschutz,
     wenn ich schau, ob ich die Tür aufkriege.«
    Kommentarlos nahm Feuersang
     das Sturmgewehr und brachte sich und die Waffe in Position. Trotz seiner
     Erschöpfung wäre ihm nie eingefallen, Redl vorzuschlagen, doch
     besser auf das MEK zu warten. Melanie, die Partnerin Jacobis und ihre
     langjährige Kollegin und Freundin, war in Lebensgefahr –
     vorausgesetzt, sie lebte überhaupt noch! –, da gab es kein Zögern.
    Sie hatten Fehler gemacht.
     Sogar der Chef, der bereits im Flugzeug nach Salzburg saß, hatte
     gepatzt. Wohl hatten sie dem Mörder, dessen Identität erst seit
     Kurzem feststand, mit dem Zeugenschutzprogramm eine Falle gestellt, hatten
     dabei aber nicht berücksichtigt, dass eine handwerklich geschickte
     Person durch den Imhof-Stollen ins Naßfeld gelangen und sich auf dem
     gleichen Weg auch wieder zurückziehen konnte.
    Einer der demnächst
     eintreffenden Alpingendarmen, der sich leidlich im Siglitz-Stollen-Gewirr
     auskannte, hatte jetzt den Auftrag bekommen, diese Möglichkeit abzuklären.
     Lenz und er, Leo Feuersang, hatten den Naßfelder Stolleneingang
     rechts liegen lassen, obwohl sie glaubten, über die Ache hinweg
     Spuren vor dem Tor gesehen zu haben. Natürlich hatten sie Meldung
     gemacht, aber die Spuren zu verfolgen war ein Job für Ortskundige,
     ihr Job war das Landhaus.
    Noch immer war unklar, warum
     sich Melanie hatte überrumpeln lassen. Um zwölf Uhr, als sie
     beim Landhaus angekommen war, hatte sie noch relativ entspannt am Handy
     bestätigt, dass alles in Ordnung sei, obwohl zu diesem Zeitpunkt
     nicht nur Regenmandl, sondern – eine haarsträubende
     Vorstellung! – auch noch Stubi als Q in Frage gekommen war. Zwei
     Stunden später hatte sie das Codewort jedoch nicht mehr gesagt,
     sodass Jacobi das Team unverzüglich auf Trab gebracht hatte. Wie
     Wegener ins Haus hatte gelangen können, blieb trotzdem rätselhaft.
     Melanie hätte nie eine
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