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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug
Autoren: Georg Gracher
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sie solche Angst hatte?«, fragte sie stattdessen.
    Wegener lachte kurz auf.
     »Ganz einfach: Ich habe ihr meinen Ausweis durch das Parterrefenster
     gezeigt und gesagt, im Tagebuch von Julie sei ein weiteres loses
     Parkettbrett unter ihrem Bett erwähnt worden, unter dem sich das
     Schlachtmesser befände. Sie war erschüttert, dass ihre Tochter
     nun – ebenso wie sie selbst – eine Mörderin sein sollte,
     und hat darüber wohl ihre Angst vergessen. Sie hat mich sofort in
     Julies Zimmer geführt.«
    »Aber warum? Warum hast
     du sie getötet? Sie konnte dir doch nicht gefährlich werden.«
    »O doch! Sie wusste
     nicht nur vom Gold, sondern kannte als Einzige neben Amanda auch das
     Versteck, jedenfalls wird das in Häuslschmieds Brief indirekt
     angedeutet.«
    »Und wegen einer blöden
     indirekten Andeutung ermordest du einfach einen Menschen?«
    »Die Leute vom
     Laderdinger Kreis vermuteten von Anfang an, dass es ums Gold ging. Auch
     wenn man sich zunächst gegenseitig verdächtigte, hätte mir
     die clevere Lotte mit ihrem Wissensvorsprung doch gewaltig in die Suppe
     spucken können.«
    »Und weshalb musstest
     du Regenmandl beseitigen?«
    Kotek konnte Wegener im
     Gegenlicht der Taschenlampe nicht sehen, er dagegen beobachtete jede
     Regung in ihrem Gesicht und weidete sich an ihrer Bestürzung.
    »Tja, ihn hab ich
     ebenso angerufen wie Marageter, er möge doch für eine Weile
     abtauchen, andernfalls würden die Schweinereien auf dem Laderdinger
     Alpl und die geheimen Gräber publik werden.«
    »Aber Regenmandl war
     schlauer als Marageter, nicht wahr?«
    »Wie man’s nimmt.
     Möglicherweise hat ihn Schleißheimer auf mich aufmerksam
     gemacht, ich habe keine Ahnung. Noch vorgestern Nacht, als er in die
     Ettenau abgehauen ist, hat er mir brühwarm erklärt, er würde
     sich weder als Köder für die Polizei auf der Landkarte
     herumschicken noch sonst wie erpressen lassen, denn er wisse genau, mit
     wem er es zu tun hätte. Die Bemerkung war natürlich nicht
     sonderlich schlau von ihm, umso weniger, als an seinem Range längst
     ein Peilsender klebte, den ich mir aus der Asservatenkammer besorgt hatte.«
    Kotek glaubte plötzlich
     zu wissen, was Regenmandl auf Wegeners Spur gebracht hatte. Um das behördliche
     Prozedere abzukürzen, hatte sie schon am Montag in der Zentrale der
     Linzer Sparkasse nach Kunden mit problematischer Bonität an der
     Zweigstelle Bad Hofgastein gefragt. Natürlich hatte man ihr keine
     Auskunft erteilt, vermutlich aber Regenmandl über die Anfrage
     informiert, der daraufhin selbst alle Kunden überprüft hatte,
     die von Schleißheimer betreut worden waren und finanzielle Probleme
     hatten.
    »Du bist ihm in die
     Ettenau nachgefahren und hast ihn ebenso erstochen wie die beiden anderen«,
     sagte sie ihrem Kollegen auf den Kopf zu. »Wo hast du übrigens
     gelernt, mit einem Schlachtmesser umzugehen? Bei uns sicher nicht.«       
    »Nein, diese Fertigkeit
     verdanke ich den Erziehungsmethoden meines Vaters. Jedes Mal, wenn ich in
     der Schule oder zu Hause was verbockt hatte, musste ich den
     Fleischergesellen in der hauseigenen Schlachterei zur Hand gehen. Damals
     haben wir ja nicht nur Schweine und Rinder aus eigener Zucht verarbeitet,
     sondern auch die Tiere anderer Betriebe. Nach besonders arbeitsintensiven
     Tagen wachte ich manchmal nachts neben meinem Bett stehend auf und
     versuchte mein Kopfkissen zu erstechen.«
    »Und wo liegt jetzt
     Regenmandls Leiche? Irgendwo im Altwasser?«
    »Allmählich
     langweilst du mich mit deiner Fragerei«, sagte Wegener. »Und
     Amanda, ich warte nicht länger. Ich zähle bis drei, wenn ich
     dann noch immer nichts höre, dann erlebst du von der ersten Reihe fußfrei
     aus mit, wie viel mir Tina wert ist. Eins … zwei … drei.«
    Er zielte auf die Stirn der
     noch immer ohnmächtigen Gendarmerie-Praktikantin, blickte dabei aber
     Häuslschmied an. »Also, was ist? Hör ich was?«
    Kotek glaubte nicht, dass er
     schießen würde. Bisher hatte er immer mit dem diskreten
     Schlachtermesser gemordet, außerdem konnte ein Schuss von etwaigen
     Verfolgern gehört werden.
    Vielleicht zögerte auch
     Häuslschmied deshalb eine Spur zu lang, vielleicht hatte sie aber
     auch – bedingt durch den Stress – einen ihrer rätselhaften
     Aussetzer, oder Wegener hatte ohnehin vorgehabt abzudrücken.
     Jedenfalls knallte es, und im Schein der Stablampe war auf der Stirn von
     Hohenauer plötzlich ein kleines schwarzes Loch
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