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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug
Autoren: Georg Gracher
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etwas so Naheliegendes natürlich
     nicht, weil wir einen Stollen nicht auf dem Schirm haben.«
    »Komm mal wieder
     runter, Oskar«, besänftigte ihn Kotek, die wusste, dass er sich
     für die Tragödie im Bergwerk mitverantwortlich fühlte.
     »Wir alle haben gepatzt und eine teils stümperhafte Arbeit
     abgeliefert.«
    »Du sagst es. Ursprünglich
     wolltest du ja Lenz und Leo zu einem Essen beim ›Döllerer‹
     einladen. Jetzt besteht allerdings Lenz darauf, uns alle zum ›Posauner‹
     einzuladen. Was meinst du, warum wohl?«
    »Vielleicht, weil er
     als Pinzgauer aus Embach nicht an Kolm-Saigurn gedacht hat?«
    Oskar nickte lächelnd.
     »Allerdings. Ihm geht es ähnlich wie mir. Und ich sage es dir
     ganz ehrlich: Ich bin froh, Wegener nicht mehr lebend erwischt zu haben.
     Ich darf gar nicht daran denken, was ich dann mit ihm angestellt hätte.
     Weißt du überhaupt, wie er auf die Idee verfallen ist, Amanda Häuslschmied
     das Goldversteck abzupressen?«
    »Seine Oma hat ihn auf
     das Häuslschmied-Gold aufmerksam gemacht?«
    »Das ist nur die halbe
     Wahrheit. Vor einigen Wochen war er wieder einmal in Gastein, um seinen
     Jugendfreund Schleißheimer zu einer weiteren Stundung der
     Kreditzinszahlung zu überreden. Aber der wollte nicht nur die Zinsen
     nicht mehr stunden, sondern verlangte auch die Rückzahlung der fälligen
     Kreditrate. Nach diesem Bescheid ist Werner mit einem anderen frustrierten
     Bittsteller auf ein Bier gegangen.«
    »Mit Marageter?«,
     riet Kotek.
    »Allerdings. Und der
     hat dann, wie wir von ihm selbst wissen, die entscheidende Bemerkung
     fallen lassen. Er gibt an, wortwörtlich gesagt zu haben: ›Wenn
     man nur das Häuslschmied-Gold hätte, dann wäre man alle
     Sorgen los.‹ Vermutlich wird er sich jetzt die Haare raufen, denn
     er selbst hat die Prahlereien, die der Herr Scharführer bei seinen
     Exzessen am Laderdinger Alpl dann und wann vom Stapel ließ, immer für
     heiße Luft gehalten.«
    »Werner hingegen war spätestens
     jetzt davon überzeugt, dass ihm seine Großmutter keinen Holler
     erzählt hatte«, vermutete Kotek.
    Jacobi nickte. »Von
     diesem Tag an ging er planmäßig vor. Er machte sich an
     Hohenauer heran, der Marageter eben den Weisel gegeben hatte, und fragte
     sie über ihre Großtante aus. Und wäre ihm nicht die
     Revision der Linzer Sparkasse dazwischengekommen, hätte er den Coup
     tatsächlich durchziehen können – gegebenenfalls mit zwei
     Bauernopfern: Tina und Amanda.«
    »Aber der Druck, den
     ihm Schleißheimer zusehends gemacht hat, trieb ihn vorwärts,
     ließ vieles aus dem Ruder laufen, und eine zunächst
     kontrollierte Partie verwandelte sich in hektisches, blutiges Blitzschach.«
    »Dass Wegener den
     Schleißheimer ermordet hat, lässt sich vielleicht noch mit dem
     Zeitaufschub erklären, den er sich davon erhoffte. Aber die Morde an
     der Bachblüten-Lotte, an Regenmandl und vor allem an der unglücklichen
     Tina waren keine Präventivmorde mehr, sie erinnern eher an das
     Um-sich-Schlagen eines Kindes, das keine Rücksicht auf irgendjemanden
     oder irgendetwas nimmt, um an ein Spielzeug zu kommen.«
    »Ich wäre die Nächste
     gewesen, die er eliminiert hätte«, sagte Kotek zum wiederholten
     Mal. »Und obwohl Amanda Häuslschmied das verhindert hat, willst
     du jetzt trotzdem wegen Gattenmords gegen sie ermitteln?«
    Der Querschuss erwischte den
     Oberst auf dem falschen Fuß. Koteks Vorwurf bezog sich auf den
     Brief, den die Alpingendarmerie in Regenmandls Wagen sichergestellt hatte.
     In dem Schreiben forderte Hans Häuslschmied seine Muse Lotte auf, aus
     den USA zu ihm nach Gastein zurückzukehren.
    »Melanie, der Brief an
     Lotte Heinrich …«, stotterte der sonst so coole Jacobi. Seine
     Märtyrermiene hätte einen Tintoretto sicher zu einem Meisterwerk
     inspiriert, dann aber sammelte er sich und fuhr energisch fort: »Also,
     der Brief bringt eindeutig neue Verdachtsmomente ins Spiel, die kann ich
     nicht so einfach übergehen.«
    Er zog ein zerknittertes
     Kuvert aus einer Innentasche seiner grauen Lederjacke und entnahm ihm
     einen gefalteten Bogen Papier. »Das hier ist natürlich eine
     Kopie, das Original wird noch erkennungsdienstlich behandelt. Die
     entscheidenden Stellen stehen im Mittelteil. Hans Häuslschmied
     schreibt da: ›Du weißt, dass ich dich und unsre Tochter reich
     machen kann. Ich habe auch vor, Julie zu meiner Universalerbin zu machen.
     Komm zu mir zurück, und ich werde für Amanda
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