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Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen

Titel: Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
Autoren: Jan Beinßen
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auch nicht zum Teufel jagen. So egal war sie ihm nun doch nicht. Noch im Flur hatte er sie eingeholt und schließlich mit sanfter Gewalt in sein Auto befördert.
    Vor der Schöller-Eiscemefabrik stellte er den Wagen ab, gleich gegenüber ihres gemeinsamen Lieblingsrestaurants ›El Coyote‹. Die letzten Meter über die Fahrbahn und Straßenbahnschienen rannten sie, um der Nässe zu entkommen.
    Aus der Kneipe schlug ihnen dichter Zigarettenqualm entgegen. Sina und Klaus gingen an der großen, dunkel gestrichenen Bar vorbei, wo sie ein junger Mann mit einem angedeuteten Nicken begrüßte. Ein anderer Mann, das Haar frisch gescheitelt und zu einem kleinen Zopf im Nacken gebunden, wies ihnen den letzten noch freien Rundtisch in der Mitte des spärlich möblierten Saals zu. Das Licht war gedämpft, an den Wänden flimmerten amerikanische Neonleuchtreklamen. Sinas Augen blieben einige Momente auf dem Barkeeper haften: Er trug Jeans, dazu ein lässig aufgekrempeltes Hemd mit einer locker sitzenden schwarzen Weste. Akribisch genau maß er Tomatensaft ab, gab ihn zu einer Handvoll zerstoßener Eiswürfel in einen Shaker. Ein Spritzer Tabasco, etwas Pfeffer und Salz. Lässig, mit kurzen kräftigen Bewegungen riss er den Shaker nach oben, dann wieder nach unten. Das wiederholte er einige Male, goss den Saft geschickt durch ein Stahlsieb in ein Glas. Als er an dessen Rand ein Tomatenstückchen geheftet hatte, warf er ein charmantes, aber dennoch distanziertes Lächeln in den Raum. Sina folgte seinem Blick bis zu einem jungen Mädchen in einem schwarzen Stretch-Minikleid. Das junge Mädchen erwiderte den Blick des Barmannes mit einem koketten Lachen.
    Klaus bat Sina, sich zu setzen. Sie nickte und ließ sich auf den ungepolsterten Holzstuhl fallen. Das Pärchen fühlte sich schlagartig in vergangene Zeiten zurückversetzt: Nichts hatte sich hier seit ihren früheren Besuchen getan. Die alte, angeschlagene Schiefertafel zählte nach wie vor brav die Tagesgerichte auf. Die Wände schrien noch immer nach einem frischen Anstrich. Selbst das Publikum, zumeist Studenten, hatte sich offenbar seit Jahren nicht verändert. Die Jungs im schwarzen Rolli, einige mit modischen Kinnbärtchen. Die jungen Frauen mit kurzen, engen Hosen und weiten Pullis oder schlichten grauen Bodys. Einige wenige hatten sich in lange, hochgeschlitzte Kleider gewagt. Sie kamen in einer Clique oder zu zweit. Paare, aber auch viele Singles hatten sich um die Tische gedrängt. Und alle knabberten sie einträchtig an ihren Chips, Tacos und Enchiladas. Neugierige, manchmal sehnsüchtige oder verliebte Blicke kreuzten durch den ungeteilten Raum. Und im Hintergrund dudelte die aktuelle CD der »Gipsy Kings«.
    So war es auch vor fünf Jahren gewesen, als Sina und Klaus sich hier zum ersten Mal begegnet waren. Klaus mit seinen Kommilitonen von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Sina mit ihrer Freundin Gabi. Die gleiche laszive, vielversprechende Atmosphäre hatte auch an dem Abend geherrscht, als sie sich nähergekommen waren: Sina und Klaus hatten eine Flasche mexikanischen Wein geleert und waren dann eng umschlungen durch das Burgviertel gezogen. Auf dem Rücksitz von Klaus’ Golf hatten sie sich geliebt.
    »Ich bin sicher, dass du dich täuschst.«
    »Was?« Sina wurde durch Klaus’ Anmerkung völlig aus ihren Gedanken gerissen. Fragend schaute sie ihn an: »Womit täusche ich mich?«
    Klaus lächelte gewinnend: »Damit, dass der Polizist uns absichtlich übersehen hat.«
    Sina lief rot an. Damals, in ihrer ersten Nacht, war ein Streifenbeamter am VW-Golf vorbeigegangen. Er hatte einen Augenblick gestutzt, als sein Blick auf die fast völlig beschlagenen Scheiben des Wagens gefallen war. Sina, mehr oder weniger unbekleidet, wäre in dieser peinlichen Situation am liebsten im Erdboden versunken. Doch der Polizeibeamte hatte sich augenblicklich wieder abgewendet und seinen Streifengang fortgesetzt. Woher wusste Klaus, dass Sina gerade an diese Nacht dachte? »Kannst du Gedanken lesen?«
    Klaus’ spitzbübisches Lächeln verwandelte sich in ein forsches Grinsen: »Ich kann zumindest deine Blicke deuten. Wie sagt man so schön: Du bist für mich wie ein offenes Buch.«
    Sina verschränkte die Arme. »Recht habe ich aber trotzdem. Es war halt ein netter Bulle. Einer, der auch mal verliebt war und sich daran erinnert hat, als er uns ertappte. Deshalb hat er uns in Ruhe gelassen.« Feixend fügte sie hinzu: »Und wenn du dir einbildest, dass jeder
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