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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Kuschnarowa
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und weil ich nicht immer nach eurer scheiß Stechuhr leben will. Darum. Ich will einfach nur ein bisschen Zeit für mich.«
    Pa sah mich lange nachdenklich an. Dann nickte er. »O.k. …«, sagte er schließlich gedehnt.
    »Und im Übrigen, es wäre ziemlich schön, wenn wir alle ein bisschen mehr Zeit miteinander verbringen könnten«, warf ich noch hinterher.
    Pa seufzte noch einmal laut auf. Dann nahm er mich in die Arme und drückte mich fest. »Nichts würde ich lieber tun als das. Aber du weißt doch ... Es geht einfach nicht.«
    Darauf sagte ich nichts mehr. Warum konnten er und Ma nicht einfach mal ein bisschen kürzertreten? Sie waren doch schließlich keine Sklaven oder so was.
    Pa ließ mich los, warf einen flüchtigen Blick auf sein iPhone und hastete zur Tür. Dann blieb er noch mal kurz im Türrahmen stehen.
    »Romi?«
    »Ja?«
    »Du weißt, dass ich euch liebe, oder?!«
    »Ja, klar. … Ich weiß«, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln.
    Pa lächelte zurück. Dann eilte er nach draußen. Kurze Zeit später jaulte der Motor auf und mein Vater war mal wieder ein äußerst fleißiger Vater auf einer anderen Baustelle als dem Projekt Familie.
    Ein paar Tage später hatte er mich aber tatsächlich von allem abgemeldet und endlich hatte ich ein paar Stunden am Tag, die nur mir gehörten und die ich einfach so verbummeln konnte. Ich konnte nachdenken, ziellos draußen herumlaufen und die Welt entdecken und ein bisschen freier sein, und ich fragte mich, warum ich mich nicht schon viel früher gegen diesen ganzen Stress gewehrt hatte. Wäre. Hätte. Wenn.
    Aber immerhin, besser jetzt als gar nicht. Langsam spürte ich, wie ich ein bisschen runterkam, aber je mehr ich runterkam, desto mehr spürte ich dieses Loch. Ich hatte schon lange geahnt, dass es da war, das Loch. Aber durch die ständige Hyperaktivität war mir gar nicht aufgefallen, wie groß es schon war. Und dieses Loch waren Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Nämlich: Was tat ich hier eigentlich? Welchen Sinn hatte das alles? Hatte es überhaupt einen Sinn? Wozu diese Mühle, durch die sich alle täglich drehen ließen? Und irgendwie machten mich diese Fragen auf einmal zum Zaunkönig. Alles wimmelte und wuselte vor sich hin, auf ein Ziel zu, das es vielleicht gar nicht gab, und ich, ich stand ganz weit weg und sah zu, dass ich mit all dem möglichst wenig zu tun hatte.
    Plötzlich machte die Mikrowelle ihr Bing und ich nahm die dampfende Tupperbox heraus. Ich war noch immer allein im Haus. Es war jetzt sechzehn Uhr. Vor achtzehn Uhr würde Theresa nicht kommen und Ma und Pa bestimmt nicht vor zehn.
    Während ich den Auflauf etwas abkühlen ließ, starrte ich vor mich hin. Seltsamerweise kehrten meine Gedanken zu Julian zurück. Dieser Blödmann war jetzt schon zweimal durchgerasselt. Wenn mir das passiert wäre, ich glaube, meine Eltern wären kurz vor dem Selbstmord oder hätten mich zum Psychologen geschleift.
    Aber Julian schien es nicht besonders eilig zu haben. Irgendwie bewunderte ich ihn dafür. Aber gleich darauf ärgerte ich mich über mich selbst. Wie konnte ich Julian Engelmann bewundern? Julian Engelmann. Loser. Macho. Möchtegern-Womanizer. Der hatte sie doch nicht mehr alle, der sollte echt mal einen Psychologen kontaktieren. Und dann hasste ich mich für diesen Gedanken. Ich dachte ja schon genauso wie meine Eltern. No way!

Ob Romea mich erkennt? Ich trage zwar wieder meine Hip-Hop-Klamotten, habe mir den Bart abrasiert, Häkelmütze, Dreiviertelhose und das weite weiße Hemd abgelegt, aber nur, damit ich nicht auffalle. Gestern stand ich vor dem Spiegel und bin fast vor mir selbst erschrocken. Zwischen Julian Engelmann und der Gestalt im Spiegel lagen nur drei Jahre, gefühlt war es ein ganzes Leben, und aussehen tat ich, als wäre ich eher dreißig als einundzwanzig. Irgendwie wirkte ich erschöpft und der Ausdruck in meinem Gesicht gefiel mir ganz und gar nicht. Ich stand kurz vor der Erfüllung meines Lebensziels und glotzte so verängstigt, als hielte mir jemand seine Knarre an die Schläfe.
    Romeas Blick ist fragend. Zweifelnd. Dann konfus. Sie schüttelt unmerklich, fast widerwillig, den Kopf. Ich glaube, sie merkt das gar nicht. Und dann weiten sich ihre Augen. Sie ist die personifizierte Ungläubigkeit.

»Love give me strength, and strength will help me through.«
   William Shakespeare, Romeo und Julia

Dass Romea und ich irgendwann zusammenkommen würden, war in etwa so wahrscheinlich, wie von einem
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