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Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Titel: Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
Autoren: Andreas Altmann
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VORWORT
    Das wird ein seltsames Vorwort. Hier will der Autor dem Leser vom Buch abraten. Sagen wir, dem falschen Leser. Das wäre im vorliegenden Fall der moralisch einwandfreie Zeitgenosse, der zartnervige, der genitalzonenfreie, der von aller kriminellen Energie erlöste, jener eben, der gern zum »guten Buch« greift. Hier greift er daneben.
    Die Schlauen unter uns werden mich sogleich entlarven. Als einen Trickreichen, der hier scheinheilig falschen Alarm schlägt, um die Erregungsindustrie anzukurbeln. Ach Gottchen, wenn es nur so wäre. Nein, mein Warnschuss hat Gründe.
    Ganz nah ran , hieß die Devise. Manchem ist das zu nah. Nichts wird hier »überhöht«, nirgends taucht eine »Metaebene« auf, nicht eine Zeile Literatur. Nur Geschichten, die ich erlebt habe, bescheidener formuliert: die mir widerfuhren. Bin eben nur Reporter. Bin sklavisch abhängig von der Realität, von dem, was mir die Welt an Geschenken und Zumutungen überlässt. Und die »reportiere« ich, schreibe sie auf. Schenkt mir die Welt nichts, bin ich am nächsten Tag arbeitslos. Denn noch nie lag ich im Bett und der Plot eines Romans kam über mich. Bis jetzt kam nie etwas, sprich: Immer musste ich das Bett verlassen und »leben«, jeden Satz dieser Seiten »erleben«.
    Ich vermute, dass ich diese »Erlebnisse« wohl meiner Jugend verdanke. Über die ich in »Das Scheißleben meines Vaters, …« berichtet habe. Anders gesagt: Meine Lebenswut hat Wurzeln. Wie Trotz, wie Aufmüpfigkeit, wie den unwiderruflichen Schwur, alles anders zu machen, als es mir eingebläut wurde. Meine Geschichten, meine Sprache erzählen ganz nebenbei auch davon, wie Verwundungen und Schmähungen – erfahren an Leib und Seele – zu einem umtriebigen Leben anstacheln können.
    Die gemeinen Leser werden nach der Lektüre dennoch behaupten, der Inhalt des Buches wäre erfunden. So aberwitzig klingt manches. Wenn die Gemeinen wenigstens diesmal recht hätten. Dann wäre ich ein veritabler Schriftsteller, dann wüsste ich endlich, wie ich meine alten Tage verbringe. Als Geschichtenerfinder, als einer, der die Welt – im Kopf – neu zaubern kann. Auf der Terrasse meiner Finca, irgendwo in Andalusien.
    Nein, soweit wird es, werde ich, nicht kommen. Bin ja immer nur ein umtriebiger Schreiber, der als Matrix nicht viel mehr hat als sein bisschen Dasein. Und die Chuzpe – ja, die schon – sich auszuliefern.
    Natürlich berichte ich nicht die Wahrheit. Gewiss die Wirklichkeit, noch präziser: jene Wirklichkeit, an die ich mich erinnere. Immerhin bin ich verwegen genug und unterschlage nicht meine Abstürze, ja Mittelmäßigkeiten und Feigheiten. Lauter Zustände, die belästigen statt trösten. Ein »Lebenshilfebuch« ist es wohl nicht geworden. Betrug, schwerer Diebstahl, Impotenz, misslungene Nähe, Homosex, Drogen, Hysterie, AIDS , Liebesunfähigkeit. Wer will sich das zumuten?
    Oder doch ein Buch, das beim Leben hilft? Weil es von Tatsachen berichtet, denen so viele von uns begegnen. Weil ein Mensch – na ja, der neugierige – wissen will, wie ein anderer handelt und wie er behandelt wird. Und wie er davonkommt. Oder eben nicht. Hier kann er es nachlesen. Und seine Lehren daraus ziehen. Wenn er denn mag.
    Dieses Buch – Dies beschissen schöne Leben  – ist die Neuauflage von getrieben , das vor ein paar Jahren in einem anderen Verlag erschien. Für die jetzt vorliegende Ausgabe wurden alle Storys überarbeitet, zudem fünf neue Geschichten eingefügt. Darunter »Die Vergewaltigung«, es dauerte, bis ich einen Verleger fand, der sich traute, diesen Text zu veröffentlichen.
    Noch etwas: Ein halbes Dutzend Essays stehen auch im Buch. Sie klingen weniger drängend und stürmisch. Damit der Leser sich kurz ausruhen kann vom Fortissimo der Storys. Die ihn vielleicht an den Rand seiner Belastungsfähigkeit treiben. Und wohl oft ungestüme Widerreden hervorrufen.
    »Shoppen und Wellness« las ich einst in einer Anzeige. Lockruf einer Stadt. Uff, auf dass mir die Bekanntschaft dieses Orts auf ewig versagt bleiben möge. Wie gut, dass ich einmal mehr einen Zeitgeist verschlafen habe. Mir graut vor der Wohlfühlgesellschaft, ich fordere noch immer überschwängliche Gefühle, will auch in Zukunft zittern vor Freude, wenn eine Aufregung hinter mir liegt. Das gnädige Glück des Frühgeborenen, desjenigen, der vor der Erfindung der Virtualität auf die Welt kam, das ist das meine. Und all jener, die ihr Recht auf ein eigenständiges, eigenwilliges Leben nicht
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