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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Kuschnarowa
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wird daran sterben. Wie die echte Undine. Weil der Prinz sie nicht genug geliebt hat.
    Und auf einmal bin ich mir nicht mehr sicher, ob es irgendwo jenseits ein Paradies gibt. Was wäre, wenn man nur ein Leben hätte und wenn danach nichts mehr wäre? Und ich muss plötzlich an Samir denken, der alles durch andere Menschen verloren hatte, der aber trotzdem niemanden töten wollte, außer sich selbst, weil er die Schuldfrage für nicht zu klären hielt. Was hatte man mir eigentlich genommen, dass ich auf einmal glaubte, das Recht zu töten zu besitzen?
    Abdel Jabbar heult vor Wut auf, weil Julian Engelmann sich gerade diese zutiefst gotteslästerlichen Fragen stellt. Aber ich bringe Abdel Jabbar zum Schweigen.
    Wenn es nur dieses eine Leben gibt und danach nichts mehr, wäre dieses eine Leben das Kostbarste, das wir haben, und die einzige Chance, glücklich zu sein. Vielleicht nur kurz, aber dafür vielleicht immer mal wieder. Und wenn ich jetzt den Zünder betätigen würde, dann würde ich Romea, dann würde ich mich, dann würde ich alle Leute hier um diese einzige Chance bringen.
    Das Handy klingelt noch einmal. Wütend ziehe ich es aus meiner Tasche, werfe es auf den Boden und zertrete es.
    Romea starrt auf das kaputte Handy, dann sieht sie mir in die Augen. Fragend. Ich lächle. Es dauert einen Moment, dann versteht sie. Sie versteht es und lächelt und kommt auf mich zu. Und so, wie sie lächelt, wird mir klar – sie haben mich verarscht. Shirin hat mich verarscht. Alle dort haben mich verarscht. Sie haben ihr Werkzeug belogen, damit es funktioniert. Aber das Werkzeug funktioniert trotzdem nicht, weil es vor einem Augenblick seinem Hirn begegnet ist und es wieder eingeschaltet hat.
    Scheiß auf den Djihad, scheiß auf das Paradies. Das Leben ist jetzt. Jetzt. Jetzt. Und meines ist schlingpflanzengrün. Ich breite die Arme aus und Romea fällt mir um den Hals.
    Und scheiße, ja, ich bin im Paradies. Nur nicht in dem, in dem sie mich haben wollten. Und ich vergesse die Zeit, den Raum, alles. Julian Engelmann ist gelandet und fliegt trotzdem. Und ich werde meine Welt verlassen und ganz in Romeas Welt abtauchen. Und gerade ist alles gut. Wirklich alles.
    Doch auf einmal werde ich weggerissen, weg von Romea, und ich sehe, dass auch Romea nach hinten gezerrt wird von einem Polizisten. Und die Wucht, mit der ich aus Romeas Armen gerissen werde, ist so groß, dass ich Richtung Boden stürze. Ich darf nicht stürzen. Verdammt! Kapieren sie das denn nicht? Ich darf auf keinen Fall stürzen. Aber ich stürze und stürze und lande. Auf dem Zünder lande ich.
    Zehn. Ich werfe Romea einen verzweifelten Blick zu.
    Neun. Romea starrt mich entgeistert an.
    Acht. Auch Romea stürzt.
    Sieben. Romea hat es kapiert. Hat die ganze Situation kapiert.
    Sechs. Eine ganze Schar Polizisten rennt auf mich zu.
    Fünf. Romea kriecht auf mich zu.
    Vier. Ich krieche auch.
    Drei. Hilflos strecke ich meine Hand nach ihr aus.
    Zwei. Romea legt ihre Hand in meine.
    Eins. Romea ist das Letzte, was ich spüre.
    Over.

Nachbemerkung
    Geschafft. Glückwunsch. Tabula rasa. Aus. Freunde und Familie hatten schon beinahe mit meinem vorzeitigen Ableben gerechnet, da ich mich dem Telefon nur noch sporadisch und höchst widerwillig näherte und allzu helles Tageslicht sowie interessante Gesellschaft und frische Luft mied. Aber jetzt ist sie erst einmal ein paar Wochen vorbei, die künstliche Soziophobie und das Grottenolmige einer schreibenden Existenz.
    Und aus und vorbei ist es auch mit den Hauptfiguren, die in den letzten Monaten mein Hirn bewohnten, mein Bettchen mit mir geteilt und in meine Träume hineingepfuscht haben. Wie ich mich jetzt fühle? Befreit. Wie eine Mörderin. Eine Mörderin, die Leute umbringt, die sie eigentlich ganz gut leiden konnte. Leer. Einen ganzen Tag war ich so leer, dass ich meine Bettwäsche gebügelt habe und ich schwöre: das habe ich noch nie getan.
    Aber jetzt ist es Zeit, dass der Schreiblurch aus dem Wasser an die Ufer der Realität zurückkriecht und nachsieht, ob noch irgendwer etwas mit ihm zu tun haben will. Und je näher ich dem Landgang komme, desto klarer wird mir, dass ich einigen Leuten noch danke sagen wollte: Meinen Eltern, die meiner unbürgerlichen Schreiberei großes Interesse entgegenbringen, obwohl sie sich wegen der Überstrapazierung der Wörter »Scheiße« und »Arschloch« auch ein wenig für ihre Tochter schämen. Was haben sie nur falsch gemacht? Ich glaube nichts. Liebster Robert, danke, dass
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