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Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Titel: Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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muss man schweigen.‹ Er wusste zwar nicht mehr, von wem dieser Aphorismus stammte und ob er ihn richtig zitiert hatte, aber eines war ihm klar: der Inhalt passte!
    Folgerichtig verabschiedete sich Wolfram Tannenberg mit der Begründung, noch einmal schnell in seine Wohnung zu müssen, um dann ›ein bisschen an die frische Luft zu gehen‹, wie er wörtlich sein spontan geplantes Vorhaben bezeichnete.
    Nachdem er seine Wohnungstür ins Schloss gezogen hatte, ballte er die Fäuste und verlieh seinen aufgestauten Emotionen sogleich Ausdruck, jedoch in schallgedämpfter Form: „Ja, ja, ja, endlich! Endlich bin ich von diesem fetten, heimtückischen Mistvieh befreit!“
    Seine Stimmung wurde immer ausgelassener. ›So ein Tag, so wunderschön wie heute‹ leise vor sich hinpfeifend und die Finger im Takt dazu schnalzend, tänzelte er zuerst in die Abstellkammer und kramte dort seinen alten Rucksack unter einem gewaltigen Kleiderberg hervor. Dann begab er sich in die Küche, zog eine Flasche Barbera aus dem Weinregal, fischte einen unversehrten Ringel Fleischwurst aus dem Kühlschrank und entnahm der Brotbox ein angebrochenes Paket Buttertoast.
    Mit schnellen Trippelschritten hastete es die Treppe hinunter bis kurz vor die Parterrewohnung. Dort bremste er ab und schlich leise an der nun glücklicherweise verschlossenen Holztür vorbei ins Freie. Erleichtert atmete er ein paar Mal tief durch und machte sich dann beschwingt auf zum südlichen Stadtwald.
     
    Schon seit einiger Zeit hatte es nicht mehr geregnet. Die Waldwege waren sehr staubig und an vielen Stellen großflächig mit feinkörnigem, hellrotem Sand betupft. Nach einem zügigen, etwa eine halbe Stunde dauernden Fußmarsch erreichte Tannenberg einen Hochsitz unterhalb des Humbergturms, den er vorhin in seiner Wohnung schnellentschlossen zum Ort seiner Spontanfeier auserkoren hatte.
    Nachdem er keuchend den Hochsitz erklommen hatte, packte er zunächst einmal die wild zusammengewürfelten Utensilien seines Vesperpakets aus und stellte sie neben sich auf die schmale Holzbank.
    Barbera, Fleischwurst und Toastbrot. Welch eine barbarische Kombination!, sagte er kopfschüttelnd zu sich selbst, während er in seinem Rucksack nach einem Korkenzieher suchte – den er in der Eile doch tatsächlich vergessen hatte.
    Aber seine Enttäuschung über dieses kleine Malheur währte nicht lange, denn urplötzlich erinnerte er sich daran, dass er und seine Jugendfreunde dieses Problem früher stets mit einem zwar etwas eigentümlichen, dafür aber sehr erfolgreichen Trick gelöst hatten: Mit einem starken Daumendruck wurde der Korken ein Stück in die Flasche hineingedrückt und dann mit einem dünneren Finger vorsichtig in der blutroten Flüssigkeit versenkt.
    Der erste Schluck Barbera schmeckte zwar ein wenig nach Kork, aber schon der nächste spülte diesen lästigen Beigeschmack in Gänze aus seinem Mund. Da er auch kein Messer dabei hatte, riss er die Fleischwurst einfach mit seinen kräftigen Händen auseinander.
    Mit Hilfe eines scharfen Eckzahns gelang es ihm sogar, ein etwa 5 Zentimeter langes Stück von der einen Hälfte des ehemaligen Wurstrings abzutrennen, sie ihrer dicken, störrischen Pelle zu berauben, sie mit je einer Toastbrotscheibe zu ummanteln und sie anschließend genüsslich zu verzehren.
    Je mehr Wein seine durstige Kehle hinabrann, umso euphorischer wurde seine Stimmung. Er fühlte sich unglaublich wohl, befreit von jedwedem Leidensdruck. Er labte sich an der friedlichen Stille und der beeindruckenden, aber unaufdringlichen Ästhetik der ihn umgebenden Natur. Er sog in tiefen Zügen die würzige Waldluft ein, ergötzte sich an dem sattgrünen Blättermeer, das ihn hier oben in der Höhe wie ein behaglicher, vor den Unbilden des Lebens schützender Konkon umgab.
    Ein dezentes, aber ausgesprochen markantes Geräusch zerrte ihn aus seiner ergriffenen Naturbetrachtung heraus. Sogleich blickte er sich um, sah aber nichts. Erst nach einer Weile kamen von rechts aus einer Eichenschonung heraus zwei ausgewachsene Bachen in sein Gesichtsfeld gelaufen und betraten laut grunzend den schmalen Wiesenstreifen direkt vor seinen Augen. Nachdem der Spähtrupp die Lage sondiert und als ungefährlich deklariert hatte, folgten nacheinander eine ganze Rotte Wildschweine, darunter etwa 10-15 längsgestreifte Frischlinge.
    Was für ein grandioser Anblick!, stellte Tannenberg begeistert fest. Das sind Tiere, wie ich sie mag. Wildtiere, die in Freiheit leben und die sich in
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