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Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12
Autoren: Robert Silverberg
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zweiten Male in meinem Leben habe ich den Fehler begangen, einer Frau zu glauben. Das erste Mal – « ich runzelte die Stirn – »liegt ein Vierteljahrhundert zurück. Damals war die Erde der Schauplatz. Aber genug der Entschuldigungen. Es gibt einen Ausweg, Eva zum Mannschaftsmädchen zu machen, ohne ihr einen nicht gutzumachenden seelischen Schaden zuzufügen.«
    Bannister kniff die Augen zusammen. »Und zwar?«
    »Die Medizin kennt eine Droge. Tolbertson weiß davon. Ich will Sie nicht mit dem komplizierten Namen langweilen, aber ich habe das Mittel in meinem Schrank. Es handelt sich um eine Verbindung auf Acetophenonbasis mit einschläfernden Eigenschaften. Sie bewirkt eine saubere, temporäre und widerrufliche Unterbrechung der Denkzentren.«
    »Natürlich!« sagte Tolbertson. »Nicht sehr angenehm zwar, aber…«
    Ich fuhr fort. »Damit könnten wir Eva für die nächsten acht Monate in Dämmerschlaf halten. In dieser Zeit wäre sie eine Art Sexmaschine. Vor unserer Ankunft entziehen wir ihr das Medikament, erteilen ihr den posthypnotischen Auftrag, daß sie die Reise in vorbildlicher Unberührtheit überstanden hat, und übergeben sie ihrem Freund. Beide werden nicht ahnen, was wirklich geschehen ist, niemand hat einen Schaden, und wir haben unser Mannschaftsmädchen.«
    »Ein menschenunwürdiger Zustand«, bemerkte Leonards. »Sie wäre hilflos wie – ein Säugling. Wir müßten sie füttern und ankleiden.«
    Ich zuckte die Achseln. »Mir ist die Vorstellung genauso widerwärtig wie Ihnen, aber immer noch lieber als ein Todesurteil. Und soweit verstehe ich mein Fach immerhin, um Sie darauf hinzuweisen, daß schon jetzt die ganze Besatzung kribbelig ist. Wie wir dabei die restlichen hundertdreißig und etlichen Durchgänge lebendig überstehen sollen, will ich mir lieber nicht ausmalen.«
    Zwanzig Minuten lang erwogen wir sämtliche Für und Wider. Keinem von uns behagte der Vorschlag, aber niemand wußte eine bessere Lösung. Bannister ließ abstimmen. Das Ergebnis lautete fünfmal Ja.
    Meine Aufgabe war es, Eva das Medikament zu verabreichen. Ohne anzuklopfen betrat ich ihre Kabine. Wie zu erwarten gewesen war, lag sie zusammengerollt auf dem großen Bett und schluchzte haltlos.
    Ich setzte mich zu ihr, strich ihr übers Haar und tröstete sie, als wäre sie meine Tochter und nicht – o Gott! – der Gemeinschaftsbesitz eines Raumschiffs. Dann sagte ich: »Es wird alles gut werden. Niemand wird Ihnen zu nahe treten. Da – ich habe Ihnen ein Beruhigungsmittel mitgebracht. Nehmen Sie es.«
    Sie setzte sich auf und sah mich voll Vertrauen an. Ich schämte mich sehr. Dann gab ich ihr die Kapsel und ein Glas Wasser und sie schluckte. Etwa zwanzig Minuten lang sprach ich ruhig mit ihr und beobachtete kalt und unbewegt, wie alle persönlichen Merkmale der Eva Tyler aus ihrem Gesicht verschwanden. Ihre Augen wurden leer, um die erschlaffenden Lippen spielte ein kindisches Lachen, und jeder Funken Intelligenz erlosch.
    Dann saß ich im Halbdunkel und starrte sie etwa fünf Minuten schweigend an. Vor mir lag ein hübscher, willenloser Körper, der einmal Eva Tyler gehört hatte.
    Es geschieht zum Wohle der Allgemeinheit, beruhigte ich mich. Es geht um Leben und Tod. Eine zwingende Notwendigkeit. Aber meine Argumente überzeugten mich nicht. Endlich stand ich auf und ging aus der Kajüte. Bannister erwartete mich.
    »Nun?« fragte der Captain.
    Ich nickte stumm und zog mich in meine Kabine zurück. Dort rief ich Stetson an und schickte ihn zur Hebung seines Wohlbefindens in die Kabine des Mannschaftsmädchens. Bannister hatte inzwischen die Besatzung über Evas Zustand aufgeklärt. Alle wußten, daß sie in eine willige Schwachsinnige verwandelt worden war, mit der sie tun konnten, was ihnen beliebte.
    »Das war verflucht merkwürdig, Doc«, sagte Stetson nach seiner Rückkehr. »Als ob man ein Gespenst im Bett hätte. Aber sie ist ein sehr blutwarmes Gespenst, das muß man ihr lassen.«
    Und so ging es dahin. Die »Donnybrook« raste durch die schwarze Nacht des Nullraums dem Sirius entgegen, und wir passierten einen Durchgang nach dem anderen ohne irgendwelche Mißgeschicke. Die seelische Belastung der Mannschaft war auf ein Minimum gesunken.
    Die Männer gewöhnten sich an Evas Zustand. Bald hatten sie keine Hemmungen mehr, sie zu besuchen. Kein einziger an Bord verzichtete auf ihre Dienste, den Captain und mich eingeschlossen. Manche gingen häufig zu ihr, andere seltener, je nachdem, wie es der biologische
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