Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Moncrieff. Mit dem größten Vergnügen!«
    Knapp nach sechs Uhr hatte sich die gute Gesellschaft von New Brewster im Hause der Moncrieffs versammelt und wartete ungeduldig, Mr. Hallinan kennenzulernen. Aber er kam erst gegen Viertel nach sechs. Dank Daisy Moncrieffs unheimlicher Routine als Gastgeberin war inzwischen jeder Gast mit einem vollen Glas und den wildesten Spekulationen über den rätselhaften Junggesellen auf dem Hügel versorgt.
    »Ganz bestimmt ist er Schriftsteller«, sagte Martha Weede zum mürrischen Dudley Heyer. »Daisy sagt, er sei groß und elegant und eine imponierende Persönlichkeit. Vermutlich wird er nur wenige Monate bleiben, bis er alles über uns weiß. Und dann wird er uns in einem Roman verewigen.«
    »Hmm, ja«, meinte Heyer. Er war Werbeleiter und pendelte jeden Morgen zur Madison Avenue. Außerdem hatte er Magengeschwüre und war sich peinlich bewußt, in Gemeinplätzen zu reden. »Ja, dann wird er einen Reißer über die Verworfenheit in den Wohnvierteln schreiben oder eine Reihe bissiger Aufsätze für den ›New Yorker‹. Den Typ kenne ich.«
    Lys Erwin schwebte rechtzeitig vorbei, um diese letzte Bemerkung noch zu hören. Sie sah nach den drei Martinis der letzten halben Stunde sehr begehrenswert und nur ganz leicht aufgelöst aus. »Du mußt doch immer alle Menschen typisieren, nicht wahr, mein Lieber? Du mit deinen bürokratischen Ansichten.«
    Heyer fixierte sie mit kläglichem Blick, aber wie immer wußte er keine schlagfertige Antwort. Er wandte sich um, lächelte dem kleinen Harold Dewitt und seiner Frau schweigend zu, die ihm irgendwie leid tat (ihr neunjähriger Sohn Lonny war ein schüchternes, empfindsames Kind, das sich nicht gegen seine Spielkameraden behaupten konnte), und steuerte zur Bar. Innerlich erwog er, was leichter zu ertragen sei: eine Nacht voll Magenkrämpfen oder der Verzicht auf einen sehr verlockenden Manhattan.
    Just in diesem Augenblick kam Daisy Moncrieff zurück. Mr. Hallinan hatte sie im Schlepptau. Jedes Gespräch im Salon verstummte schlagartig, und die Gäste starrten den Neuankömmling neugierig an. Im nächsten Augenblick wurden sie sich ihres kollektiven Fauxpas bewußt und plauderten geflissentlich weiter. Daisy wanderte zwischen ihren Gästen auf und ab und stellte ihr Opfer vor.
    »Dudley, darf ich dich mit Mr. Davis Hallinan bekannt machen? Mr. Hallinan, das ist Dudley Heyer, einer der begabtesten Männer von New Brewster.«
    »Tatsächlich? Was tun Sie, Mr. Heyer?«
    »Ich bin im Werbefach. Aber lassen Sie sich nichts aufschwatzen, dazu braucht man keinen Funken Begabung. Bloß Schnauze, sonst gar nichts. Den Wunsch, die Öffentlichkeit zu täuschen, und zwar gründlich. Aber was ist mit Ihnen? In welcher Branche arbeiten Sie?«
    Mr. Hallinan überhörte die Frage. »Ich habe die Werbung immer als ungemein schöpferische Tätigkeit betrachtet, Mr. Heyer. Aber aus erster Hand habe ich natürlich nie…«
    »Aber ich. Und es stimmt alles Schlechte, was man sich über diese Branche erzählt.« Heyer spürte, daß ihm das Blut ins Gesicht stieg wie nach ein oder zwei Gläsern. Er wurde gesprächig und empfand Hallinans Anwesenheit merkwürdig wohltuend. Er beugte sich dicht zu ihm und sagte: »Unter uns gesagt, Hallinan, ich gäbe mein ganzes Bankkonto dafür, wenn ich zu Hause bleiben und schreiben könnte. Einfach schreiben. Ich möchte so gerne einen Roman schreiben. Aber mir fehlt der Mut. Das ist es. Ich weiß, daß jeden Freitag ein Scheck über 350 Dollar auf meinem Schreibtisch liegt, und den wage ich nicht aufzugeben. Deshalb schreibe ich meinen Roman dauernd hier drinnen in meinem Kopf, und er höhlt mich innerlich aus.« Er brach ab. Ihm war bewußt geworden, daß er schon zu viel gesagt hatte und daß seine Augen verdächtig funkelten.
    Hallinan lächelte verständnisinnig. »Es ist immer traurig, wenn ein Talent nicht zum Durchbruch gelangen darf, Mr. Heyer. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
    Daisy Moncrieff rauschte herbei, hakte sich bei Hallinan unter und entführte ihn. Allein geblieben, betrachtete Heyer stirnrunzelnd den gemusterten grauen Webteppich.
    Warum habe ich ihm das alles gesagt? staunte er. Kaum war Hallinan ihm vorgestellt worden, hatte er ihm auch schon seinen geheimsten Kummer anvertraut. Dabei wußte davon nicht mal seine Frau, von Bekannten ganz zu schweigen.
    Und doch fühlte er sich durch dieses Geständnis irgendwie befreit. Hallinan hatte seinen Kummer und seine nagende Unzufriedenheit schweigend in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher