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Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12
Autoren: Robert Silverberg
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sich aufgenommen. Jetzt fühlte Heyer sich leer, geläutert und erwärmt.
    War es ein Geständnis gewesen? Oder ein Aderlaß? Heyer zuckte die Achseln. Dann grinste er, trat zur Bar und goß sich einen Manhattan ein.
    Wie üblich waren Lys und Leslie Erwin durch die ganze Länge des Salons getrennt. Mrs. Moncrieff entdeckte Lys leichter und machte sie mit Mr. Hallinan bekannt.
    Lys wandte sich ihm schwankend zu. Dann zog sie, einem plötzlichen Impuls folgend, den tiefen Ausschnitt ihres Kleides höher. »Sehr angenehm, Mr. Hallinan. Ich möchte Sie mit meinem Mann Leslie bekannt machen. Leslie! Komm doch mal her, bitte!«
    Leslie Erwin näherte sich. Er war um zwanzig Jahre älter als seine Frau. Daß sie ihm ein imponierendes Geweih aufgesetzt hatte, war in New Brewster ein offenes Geheimnis. Etwa alle zwei Wochen vergrößerte es sich um eine weitere Zacke.
    »Les, das ist Mr. Hallinan. Mr. Hallinan, mein Mann Leslie.«
    Mr. Hallinan verneigte sich wohlerzogen vor beiden. »Freut mich sehr.«
    »Ganz meinerseits«, sagte Erwin. »Wollen Sie mich jetzt bitte entschuldigen…«
    »Diese Laus«, sagte Lys Erwin, als ihr Mann zu seinem Stammplatz an der Bar zurückgekehrt war. »Lieber würde er sich die Kehle durchschneiden, als in Gesellschaft länger als zwei Minuten an meiner Seite zu bleiben.« Sie funkelte Hallinan verbittert an. »Dieses Benehmen verdiene ich wirklich nicht, oder?«
    Mr. Hallinan zog mitfühlend die Brauen hoch. »Haben Sie Kinder, Mrs. Erwin?«
    »Pah! Bei meinem Ruf würde er mich nie zur Mutter machen! Sie müssen meinen Ton verzeihen, ich bin beschwipst.«
    »Das verstehe ich. Mrs. Erwin.«
    »Ich weiß. Komisch, ich kenne Sie doch kaum und finde Sie trotzdem besonders nett. Sie wirken so verständnisvoll und aufrichtig.« Zögernd griff sie nach seinem Ärmel. »Eine innere Stimme verrät mir, daß Sie mich nicht verurteilen wie alle anderen. Ich bin gar nicht schlecht, nicht wahr? Nur langweile ich mich so fürchterlich, Mr. Hallinan.«
    »Langeweile ist ein großes Unglück«, bemerkte Mr. Hallinan.
    »Da haben Sie verdammt recht! Und Leslie ist mir keine Hilfe. Dauernd liest er seine Zeitungen und bespricht sich mit seinen Maklern! Aber ich kann mir selber helfen, verlassen Sie sich darauf.« Sie sah sich herausfordernd um. »Man wird gleich über uns tuscheln, Mr. Hallinan. Kaum unterhalte ich mich mit einem Fremden, geht es schon los. Versprechen Sie mir etwas…?«
    »Wenn ich kann.«
    »Wir müssen uns treffen. Bald schon, ja? Ich möchte mit Ihnen reden. Himmel, wie sehr ich mir einen Menschen wünsche, mit dem ich reden kann und der versteht, warum ich so bin, wie ich bin. Einverstanden?«
    »Natürlich, Mrs. Erwin. Bald.« Behutsam löste er ihre Hand von seinem Ärmel und hielt sie sekundenlang zärtlich fest. Dann erst ließ er sie los. Sie lächelte ihn erwartungsvoll an. Er nickte.
    »Und jetzt muß ich auch noch die anderen Gäste kennenlernen. Es war mir ein Vergnügen, Mrs. Erwin.«
    Er entfernte sich und ließ die leicht taumelnde Lys zurück. Sie holte tief Luft und zog ihren Ausschnitt wieder tiefer.
    Endlich wohnt ein anständiger Mann in dieser Stadt, dachte sie. Hallinan war gut und freundlich und verständnisvoll. Das fühlte sie.
    Verständnis. Genau das brauche ich. Sie überlegte, ob sie schon morgen nachmittag im Haus auf dem Malon Hill vorsprechen durfte, ohne dem Klatsch neue Nahrung zu geben.
    Lys drehte sich um. Der schmächtige Aiken Muir sah sie verstohlen, aber mit unverhohlener Aufforderung an. Sie begegnete seinem Blick mit einem frostigen, wortlosen Hol dich der Teufel!
    Mr. Hallinan setzte seinen Rundgang fort. Allmählich nahm die Party Gestalt an. Wie ein Zusammensetzspiel. Als die Cocktailstunde beendet war und das Abendessen bereitstand, hatte sich eine unterschwellige Wechselwirkung von Gedanken und Reaktionen aufgebaut.
    Mr. Hallinan trank keinen Alkohol. Geschmeidig glitt er von einem Gast zum anderen, verwickelte jeden ins Gespräch, lernte die hervorstechendsten Charakterzüge seines jeweiligen Gegenübers kennen, lächelte höflich und ging weiter. Erst nachher fiel jedem seiner Gesprächspartner zweierlei auf: daß Mr. Hallinan selbst eigentlich kaum etwas gesagt hatte, und daß trotzdem im anderen ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit entstanden war.
    Während Mr. Hallinan sich also von Martha Weede den glühenden Neid beichten ließ, den die Intelligenz ihres Mannes in ihr hervorrief, bemerkte Lys Erwin zu Dudley Heyer, daß Mr.
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