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Diktator

Diktator

Titel: Diktator
Autoren: Stephen Baxter
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Vorwissen angeln, das ihm Macht oder Reichtum verschaffen konnte, zum Beispiel über den Bau des Hadrianswalls. Und du hast gehofft, es würde diese Macht deinen Intentionen gemäß nutzen: um deinen eigentlichen Befehl auszuführen.«
    »Und der wäre?«, fragte Ben.
    Julia grinste. »Kaiser Konstantin zu töten !«
    Ben merkte, dass er am Rand der Panik war. »Rory – wir haben doch über die Gefahren gesprochen –, woher nimmst du das Recht, solche Entscheidungen zu treffen?«

    »Woher nehmen wir das Recht, eine solche Gabe nicht zu nutzen?«
    Bens Gedanken rasten. »Aber das ist doch bloß ein Hirngespinst. Nur Gerede. Konstantin ist vor Nicäa nicht umgebracht worden, oder? Und die Kirche ist nicht in einen Zustand der Unschuld zurückversetzt worden. Der Papst sitzt noch immer in Rom.«
    »Rorys Plan ist fehlgeschlagen«, sagte Julia.
    »Tja, das kann ich nicht leugnen«, meinte Rory.
    »Aber er hat es versucht , Ben.«
    »Das ist unmöglich.«
    »Nein.« Sie lächelte. »Ich habe einen Beweis dafür.«
    Rorys Augen wurden schmal. »Was meinst du damit ?«
    »Die Partei hat eine ziemlich gute Forschungseinrichtung. Sie hießt ›Ahnenerbe‹ und ist Himmler unterstellt. Einige recht innovative Forschungsarbeiten über die Ursprünge der Rassen. Ich habe ihnen geschrieben …« Sie öffnete ihre Aktentasche und holte ein zerfleddertes Buch heraus: eine Geschichte Roms.
    Es war Julias Nazi-Wissenschaftlern nicht gelungen, Rorys Testament in vollem Umfang aufzuspüren. Einige Elemente waren jedoch in ein autobiografisches Werk von Kaiser Claudius aufgenommen worden. Auch dieses Werk war verloren gegangen, aber andere historische Werke bezogen sich darauf, und aus den Verweisstellen hatten sich mit ein wenig Sorgfalt und ein paar Vermutungen einige von Rorys Zeilen rekonstruieren lassen. Julia schlug das Buch bei einer markierten Seite auf und reichte es Ben. Ungläubig
las er den verblichenen Text auf dem alten, vergilbten Papier:
     
    Ruf ins Gedächtnis dir die Wahrheiten, die wir für selbstverständlich halten –
    Ich sage dir, dass alle Menschen gleich und frei erschaffen sind, mit
    Rechten, unveräußerlich, vom Schöpfer ihnen zugeeignet;
    Etwa dem Recht auf Leben, Freiheit und aufs Glücksbestreben.
    O in die Zeit verwobnes Kind, versuch die Wurzel auszureißen!
     
    »Bei allem, was heilig ist«, sagte Ben. Sein Herz klopfte heftig.
    Julia lächelte. »Leben, Freiheit und das Streben nach Glück. So herrlich plump!«
    »Offenbar hab ich’s wirklich geschafft«, sagte Rory mit großen Augen. »Das sind meine eigenen Worte, wie ich sie 1940 zusammengebastelt habe – durch die Jahrhunderte in die Vergangenheit übertragen und nun in diesem zerlesenen alten Geschichtsbuch festgehalten. Dieses Beweisstück habe ich noch nie gesehen. Ja, mein Plan ist fehlgeschlagen – Konstantin ist am Leben geblieben –, aber der Webstuhl funktioniert .« Er lachte, doch es klang schrill.
    »Das hättest du gar nicht gekonnt«, sagte Ben schwach. »Ich bin ein unverzichtbarer Bestandteil des Webstuhls – meine angebliche Präkognition …«

    »Er hat dich betäubt«, sagte Julia schlicht. »Dich betäubt und im Schlaf benutzt. Hättest du sein Vorhaben verhindert?«
    »Natürlich.«
    »Warum? Weil du Konstantin so toll findest?«
    »Nein.« Er sah Rory mit wachsendem Entsetzen an. »Weil ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass der Webstuhl, falls er jemals benutzt wird, eine ungeheure Gefahr darstellt. Der Webstuhl ist eine Waffe – er erschafft die Geschichte nicht, er zerstört sie!«
    »Aber er funktioniert«, meint Rory mit ausdrucksloser Stimme.
    »Ja«, sagte Julia. »Hitler verabscheut das Christentum, wisst ihr. Er sagt, logisch zu Ende gedacht, bedeute es die systematische Kultivierung menschlichen Versagens. Ich denke, deine Versuche, die christliche Religion zu destabilisieren, werden seine Zustimmung finden.«
    »Was soll das denn heißen?«, bellte Rory.
    »Ich glaube wirklich, das Ahnenerbe ist der geeignete Ort, um dieses Projekt fortzuführen, meinst du nicht? Mit der richtigen Finanzierung und ein paar guten Forschern statt einem halbgebildeten irischen Halunken und einem verwirrten jüdischen Träumer, mit einer besseren Rechenmaschine als diesem antiquierten Gerät am MIT …«
    »Du willst den Nazis eine Zeitmaschine geben?« Ben fühlte sich schwach. »Oh, das ist ein guter Plan.«
    »Du hast also vor, Hitler zu unterstützen?«, fragte Rory.

    Julia zuckte die Achseln. »Was
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