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Diktator

Diktator

Titel: Diktator
Autoren: Stephen Baxter
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›geschlossener zeitartiger Kurven‹ wäre es vielleicht möglich, die Vergangenheit zu beeinflussen  …«
    »Und dazu noch meine Träume«, sagte Ben.
    Julia musterte ihn. »Was für Träume?«
    »Ich hatte schon immer intensive Träume. Oft sind sie wie Erinnerungen an Stippvisiten bei Geschehnissen der Vergangenheit – und der Zukunft. Ein- oder zweimal …«
    »Sprich weiter.«

    »Einmal hat er von der Kugel geträumt, die mich beinahe umgebracht hätte«, warf Rory ein und berührte seinen Hals.
    »Du hast präkognitive Fähigkeiten«, sagte Julia zu Ben.
    »Das würde John William Dunne wohl auch sagen. Er würde vielleicht davon sprechen, dass mein Animus frei in einer multidimensionalen Raumzeit schwebt.«
    »Glaubst du das auch?«
    »Nein.« Er seufzte. »Ich bin einer der rationalsten Menschen, denen du wahrscheinlich jemals begegnen wirst, Julia. Ich glaube nicht mal an Gott. Und doch sind andere davon überzeugt, dass ich solche Kräfte besitze. Ist das nicht eine Ironie des Schicksals?«
    »Aufgrund solcher Hinweise auf präkognitive Fähigkeiten und auf der Basis von Gödels Spekulationen über Reisen in die Vergangenheit habt ihr also angefangen, eine Zeitmaschine zu entwickeln«, sagte Julia.
    »Keine Maschine«, sagte Rory. »Obwohl wir ihr einen maschinenähnlichen Namen gegeben haben.«
    »Der Webstuhl.«
    »Ja. Aber eigentlich ist es eine Methode.«
    »Eine Methode, die Vergangenheit zu beeinflussen. Sie zu verändern. Richtig? Und nach eurem Aufenthalt in Spanien seid ihr an dieses Institut gekommen, wo ihr daran gearbeitet habt, eure ›Methode‹ zu realisieren. Ihr habt euch sogar Zeit auf einer Rechenmaschine in Massachusetts erschlichen. Und du, Rory, hast angefangen darüber nachzudenken, welche Veränderung
genau vorgenommen werden sollte, wenn du die Geschichte ändern könntest, die du so unbefriedigend findest.«
    Rory schwieg. Ben starrte ihn an.
    »Na, komm schon. Wenn du’s ihm nicht sagst, kann ich’s gern für dich tun – und das werde ich auch.« Sie klopfte auf ihre Aktentasche.
    »Na schön«, platzte Rory heraus. »Es war Nicäa.«
    Ben war verwirrt. »Nicäa?«
    Julia lächelte. »Du bist ganz offenkundig nicht so vertraut mit der Geschichte des Christentums wie dein kleiner Freund hier, Ben. Nicäa, im Jahre 325 des Herrn. Wo Kaiser Konstantin sein großes Kirchenkonzil einberufen hat.«
    »Konstantin!«, fauchte Rory. »Es war alles seine Schuld!«

IV
    »Ah, die Römer«, sagte Julia. »Sie waren zweifellos Arier. Hitler hat genug gute Wissenschaftler, die das beweisen können … Vor Konstantin war Jesus ein Sklavengott«, erklärte sie spöttisch. »Konstantin hat das Christentum zur römischen Staatsreligion erhoben und damit die Zukunft der Kirche gesichert.«
    »Nur indem er sie in ein Spiegelbild Roms verwandelt hat! Und ebendiese römische Autokratie und Intoleranz waren die Wurzel all des Bösen, das seither im Namen Jesu Christi geschehen ist.«
    »Und darum hast du einen kühnen Plan ausgeheckt, nicht wahr? Den Plan, mit Hilfe eures Webstuhls der Zeit ein paar Fäden der Historie aufzutrennen.«
    »Davon hast du mir kein Wort gesagt«, wandte sich Ben vorwurfsvoll an Rory.
    »Natürlich nicht«, sagte Rory kläglich. Er vermied es nach wie vor, Ben in die Augen zu schauen. »Du hättest mich ja daran gehindert.«
    »Er hat sich eine Botschaft ausgedacht, die er in die Vergangenheit schicken wollte«, sagte Julia fröhlich. »So etwas wie eine retrospektive Prophezeiung, ja? Die wolltest du in die Zeit von Kaiser Claudius und seiner Invasion in Britannien senden, so viel ich weiß.
Sie sollte Informationen über die Zukunft enthalten – und ein paar Albernheiten über Demokratie …«
    »Die Ära der Republik war Roms beste Zeit«, erwiderte Rory trotzig. »Sie hat Amerika noch Jahrhunderte später inspiriert. Ich wollte ihnen Hoffnung schenken.«
    »Wem?«, fragte Ben.
    »Du weißt doch, wie es funktioniert, Ben. Wir können keine bestimmte Person in der Vergangenheit anvisieren. Wir können nur senden. Und hoffen, dass es Leute gibt, die genauso aufnahmefähig sind wie du – natürliche Empfänger, die auf Informationen aus der Zukunft warten.«
    »Das prophetische Zeug war als eine Art Lockmittel gedacht, stimmt’s, Rory?«, meinte Julia. »Du hast es in die Zeit vor Claudius zurückgeschickt, in das Jahr von Christi Geburt, um die Aufmerksamkeit der frühen Christen zu erregen. Du wolltest dir dein Opfer in der Vergangenheit mit ein wenig
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