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Diktator

Diktator

Titel: Diktator
Autoren: Stephen Baxter
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an der Reichspost liegen. Hey, Mom. Rate mal, wer hier ist.«
    Und George war sprachlos, als Mary Wooler vortrat. Sie trug einen blauen Overall wie die WVS-Mädchen und einen Rucksack. Ihr ergrauendes Haar war zurückgebunden, ihr Gesicht geschwärzt.
    »Mary? Mein Gott!«
    »Ich hätte wohl damit rechnen müssen, Sie hier anzutreffen, George. Miss Fiveash hat Sie immer noch voll in der Hand, nicht wahr?«
    »Unterscharführerin für Sie«, blaffte Julia.
    Mary und Gary zusammen zu sehen, rief Erinnerungen in George wach, Erinnerungen an Hilda, die er ein für alle Mal begraben zu haben glaubte. »Ich habe mich nicht mehr zurechtgefunden, Mary«, sagte er und hörte, wie schroff seine Stimme klang. »Ich glaube, so ist es vielen von uns diesseits der Winston-Linie gegangen.«

    »Sie haben immer Ihre Arbeit getan, Sergeant«, sagte der Navy-Mann leise. »Das hören wir jedenfalls von unserem Geheimdienst. Übrigens, ich bin Mackie. Captain der Royal Navy. Mary, ich schlage vor, wir machen mit dem weiter, wozu wir hergekommen sind. Wir haben womöglich nicht die Zeit, diese beiden zu verhören. Aber vielleicht erfahren wir auch schon aus dieser Dokumentation dort – schauen Sie, da sind ganze Haufen von Papieren –, wie weit sie gekommen sind.«
    Mary ging zu einer Reihe von Borden, auf denen ordentliche Stapel von Dokumenten lagen. Sie holte Papiere herunter, breitete sie auf einem Schreibtisch aus und zog eine Lesebrille aus ihrem blauen Overall. Sie war eine unscheinbare Frau mittleren Alters, die sich nun bereit machte, Papiere zu studieren, dachte George, während Soldaten mit erhobenen Waffen um sie herumstanden.
    Julias Erregung wuchs. »Rühren Sie unsere Arbeit nicht an – tu etwas, Josef, du Feigling!«
    Aber Trojan war ebenfalls abgelenkt. »Ernst?« Er klang verwirrt und sprach Deutsch. »Du bist es, stimmt’s?«
    Eine weitere Gestalt trat aus den Trümmern des Eingangs nach vorn. Sie trug eine Wehrmachtsuniform, und ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt. »Josef. Ich dachte, wir sähen uns nie wieder …«
    »Sprecht doch bitte weiterhin Englisch, ihr beiden«, sagte Mackie lakonisch.
    »Sieh an, sieh an«, sagte Julia säuerlich. »Ein Tag der Wiedervereinigungen.«

    Trojan schien empört zu sein. »Was hat das zu bedeuten? Weshalb haben Sie meinen Bruder hergebracht? Wenn er ein Kriegsgefangener ist, sollte er auch wie einer behandelt werden.«
    »So wie Ben Kamen?«, fauchte George und erntete dafür einen weiteren Stoß von Julia.
    »Liegt es nicht auf der Hand, Josef?«, sagte Julia. »Er ist hier, damit du nach ihrer Pfeife tanzt.«
    »Oh, ich würde es nicht ganz so ausdrücken«, murmelte Mackie.
    »Lügner«, sagte Julia ruhig. »Ernst ist eine Geisel, genau wie Sergeant Tanner hier. Sie sind ein Heuchler, Captain. Das habe ich an den Engländern immer am meisten verabscheut. Die blanke, verfluchte Heuchelei, wo wir doch die schlimmsten Schlächter von allen sind.«
    Mackie musterte sie. »Hassen Sie sich wirklich so sehr, Madam? Ist es das, worum es hier geht?«
    Ernst wandte sich an seinen Bruder. »Selbst an diesem Tag aller Tage verkriechst du dich mit Frauen und absurden Maschinen unter die Erde, Josef. Was hätte Vater wohl dazu gesagt?«
    Trojan wirkte gekränkt. »Ich versuche, den Krieg zu gewinnen. Und die Macht des Reichs zu zementieren, damit es wirklich tausend Jahre lang bestehen bleibt – zehntausend Jahre lang! Wenn du wüsstest, was ich hier mache, würdest du das verstehen.«
    Aber für George klang es nicht so, als glaubte er seinen eigenen Worten – nicht mehr.
    »Mein Gott, Tom«, sagte Mary jetzt. »Sie wissen
alles über uns.« Sie hielt Papierbündel hoch. »Sie kennen sogar die Simulationen, die wir durchgeführt haben. Hier ist Ihre 1938er-Kriegs-Gegengeschichte. Und – o mein Gott – meine Dünkirchen-Studie.«
    »Wir sind die SS«, sagte Josef. »Glauben Sie wirklich, Ihre Arbeit wäre vor unserem Nachrichtendienst sicher gewesen? Ich muss sagen, dass es insbesondere beim MI-14 etliche Lecks gab.«
    »Tatsächlich fanden wir Ihre Studien sehr nützlich«, meinte Julia. »Sie hatten freundlicherweise auch gleich die entsprechenden Gödel-Trajektorien für uns ausgearbeitet. Wir haben diese Ideen zur Probe benutzt.«
    »Zur Probe?«
    »Wissen Sie, wie der Webstuhl funktioniert?«
    »Ich glaube, wir haben eine recht gute Vorstellung davon«, sagte Mackie.
    »Ben Kamen ist unser Bote, unser schlafendes Kind. Wir haben Ihre Lösungen als
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