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Dihati Qo – Die, die sein werden (German Edition)

Dihati Qo – Die, die sein werden (German Edition)

Titel: Dihati Qo – Die, die sein werden (German Edition)
Autoren: Joseph Maximilian Spurk
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vertrieben.«
    Illwar versteifte sich. Sein Kopf ruckte hoch und sein Unterkiefer schob sich nach vorne. Seine Finger pressten sich zu Fäusten. Weiß leuchteten die Knöchel. Sein Kopf drehte sich mit der Gefährlichkeit eines Raubtiers zur Diebin um. »Wie war das?«, stießen seine Lippen hervor.
    »Sie haben ihn vertrieben. Sein ›Umgang‹ hat ihnen nicht gefallen. Er hatte einen Bekannten, einen Freund, der nicht gern gesehen war in seinem Dorf. Die Leute hatten sogar Angst vor diesem Mann. Sie glaubten, dass er böse Magie ausübte. Wobei ich nicht weiß, wie Magie böse sein soll, aber egal. Er jedenfalls mochte diesen Freund sehr. Daher trieben sie ihn aus dem Dorf. Das hat er mir erzählt.«
    Illwar hatte vorher gedacht, er wäre auf die Diebin zornig gewesen, aber er hatte sich getäuscht. Wut und Zorn fluteten seinen Körper. Sein Gesicht war zu einer Fratze zerknittert, seine Augen nur noch Schlitze. Seine Wangen, seine Ohren, sein Hals waren rot vom Blut, das sein Herz in den Kopf pumpte. Seine Nacken- und Schultermuskeln spannten sich, seine Hände krampften sich zu Fäusten. Seine Kiefer malmten aufeinander.
    Die Diebin wich vorsichtig zwei Schritte zurück und brachte ihre Hände näher an die Dolche.
    Illwar wollte seine Wut herausbrüllen, aber eine Nervenfaser gab es noch, die ihn zurückhielt. Es brachte nichts, seine Wut hier zu verschwenden. Das Dorf war zu weit und bis dahin der Zorn verraucht. Also schluckte er ihn runter, um ihn aufzubewahren, zu verstauen, anzuhäufen, um ihn später zu kanalisieren. Sein Hals schmerzte, sein Herz pochte. Er blickte auf den schwitzenden und zitternden Elldrig hinab und Tränen rannen über sein Gesicht.
    Die Diebin bewegte sich wieder langsam auf Illwar zu. Fast keusch berührte sie seinen Arm. Er reagierte nicht, trotzdem fragte sie ihn. »Du bist dieser Freund, nicht wahr? Deinetwegen wurde er vertrieben. Auch Dir gegenüber war er vorurteilsfrei aufgeschlossen. Er hatte ein gutes Herz, möglicherweise ein zu gutes.«
    Illwar blickte der Diebin ins Gesicht. »Wieso ›hatte‹?« Sie drückte seinen Arm stärker und schaute voll Trauer auf Elldrig hinab. Sie wusste, was Illwar sich noch nicht eingestehen wollte. Sein Freund lag in den letzten Zügen. Die nächste Viertelstunde würde nicht mehr die seine sein. Kniend nahm Illwar den zitternden, vertrockneten Körper in seine Arme und presste ihn an sich. Elldrigs Augen sahen ihn nicht. Sie blickten auf einen Punkt irgendwo weit in der Ferne. Auf den Punkt zu dem Elldrig bald aufbrechen würde. Die letzten Züge der schmalen Brust streichelten Illwars Körper, dann hörte es auf. Illwars Schmerz klumpte sich in seiner Kehle zusammen. Die Tränen schmerzten in seinen Augen. Die Diebin legte ihm die Hände von hinten um die Brust, legte ihren Kopf auf Illwars. So verharrten sie.

5
    »Was heulst Du Elldrig hinterher!«, brauste Igidor auf. »Er ist weg! Vermutlich in der Stadt. Und da kann er auch bleiben!« Sein speckiges Gesicht zeigte rote Flecken. Ein Speichelfaden drohte über sein Kinn zu Boden zu tropfen, doch seine fleischige Hand wischte ihn vorher weg und schmierte ihn an seinen Wanst.
    »Aber er war ein guter Schmied! Und wir brauchen einen. Oder kannst Du meiner Molli das Hufeisen wieder dranschlagen?« Hudreth war eine resolute Frau mit ihren über fünfzig Wintern. Ihr Mann war früh gestorben und sie hatte vier Kinder alleine ernährt und großgezogen. Sie musste sich von Igidor keine Lektionen erteilen lassen, was gut war für das Dorf und was nicht.
    Igidor schwang seine massigen Arme hilflos in der Luft. »Wir haben ihn vertrieben, ihn und seinen totenbeschwörenden Freund. Das war richtig!«
    »Richtig? Jemanden zu vertreiben, dessen Fehler es ist, ein zu gutes Herz zu haben? Dummkopf! Dieser Illwar ist auch mir unheimlich, da geb ich Dir recht. An den Totenunsinn glaub ich nicht, aber es macht mir auch nichts aus, wenn er fortbleibt. Aber Elldrig war unser Schmied, Du fetter Dummkopf! Wo soll ich jetzt hin, mit einem Ackergaul mit nur drei Eisen?«
    »Meine Güte, Schmiede gibt es wie Kiesel auf der Straße. Wir holen einen neuen, zur Not kommt der einmal die Woche.«
    »Und welchen Dummkopf willst Du hier rauslocken? Und woher? Sag nicht aus der Stadt, denn dann könntest Du ja Elldrig gleich wieder herholen.«
    »Elldrig können sie meinetwegen zur Festung schleppen!«, keifte Igidor sie an. Die Festung, Grinn ’te Kalls Festung, war für alle hier der Ausbund der Abscheulichkeit, der
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