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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes
Autoren: Asta Scheib
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herbei, er war nackt, nahm ein Bild, das eingepackt bereitstand und drückte es dem Draußenstehenden in die Hand, wobei er ihm mitteilte, dass er mitten in einer Nummer sei. Tadeusz schloss die Tür, eilte an Krug vorbei zurück ins Bad. Imagepflege, sagte Tadeusz.

10
    Wenn bei Sharon das Telefon schellte – was äußerst selten passierte, da sie zum einen in München wenig Menschen kannte und zum anderen ihre Telefonnummer noch in keinem Telefonbuch zu finden war   –, wenn also Sharons Telefon schellte, glaubte, hoffte, Sharon jedes Mal, dass es Alexander sei. Sie rannte daher mit dieser Erwartung zum Telefon. Sicher würde Alexander ihr genau sagen, wann er zurückkommen wollte.
    Am Telefon war Alexanders Mutter. Hier ist Clarissa von der Heydte, spreche ich mit Sharon Weil? Sharon wisse vielleicht, dass Alexander seinen Eltern von der, hm, Verlobung geschrieben habe. Es wäre der Familie lieb, sie, Sharon, kennen zu lernen. Ob sie nicht kommen könne, gegen fünfzehn Uhr vielleicht, auf einen Tee? Sie kommen, nicht wahr?
    Verwirrt legte Sharon ebenfalls den Hörer auf. Wenn Alexander zurück war, könnten sie doch gemeinsam   ... Aber nun hatte Sharon zugesagt, das hieß, sie hatte nicht widersprochen. Nun musste sie wohl hingehen. Christin, die gerade mit Pablo zu Besuch war, Christin würde sie hinbringen in die Mauerkircherstraße.
    Sharon fuhr mit Christin und dem Kind durch die Stadt. Von Nymphenburg nach Bogenhausen, im Stau schon auf der Nymphenburger Straße. Wie Delfineim weiten Meer schoben sich die Kotflügel der anderen Wagen ins Blickfeld. Männer schauten in den kleinen Fiat hinein. Sie schauten, vielleicht waren Christin, Sharon und Pablo Bilder von Träumen dieser Männer. Sharon fühlte jeden Nerv in ihrem Körper. Sie fühlte, dass sie schön war, dass Christin schön war, Pablo ein schönes Kind. Sharon sah die Stadt, den Königsplatz, die Prinzregentenstraße, auf deren Höhe der Friedensengel alterslos und golden ragte. Diese Bilder machten Sharon Herzklopfen. Ihre Wachsamkeit, die Wachsamkeit des Soldaten im unbekannten Land, wurde überdeckt von der Freude. Mein Leben, dachte Sharon, dies ist jetzt mein Leben, meine Stadt. Übermorgen ist Rosh Hashanah, dann geht das jüdische Jahr 5747 zu Ende, dann kommt Alexander, er wird wieder in München sein – eine Vorstellung, die Sharon gar nicht mehr richtig zu Ende denken konnte.
     
    Das Haus der Familie von der Heydte war groß, es war eine Villa. Von dem hohen eisernen Tor, an dem Sharon klingelte, führte eine breite Teerstraße durch Rasenflächen zu einer reich verzierten Eisentür, die von einem Säulendach geschützt wurde. Links neben der Tür schien es noch einen Treppenaufgang zu geben. Sharon sah ein hohes schräg aufsteigendes Fenster, das mit Jugendstilelementen geschmückt war und der Hausfront fast etwas Feierliches gab. Eine mollige Frau im karierten Rock und weißer Bluse öffnete Sharon die Tür. Frau von der Heydte wartet in der Bibliothek, gleich die erste Tür links.
    Sharon sah die große Halle, der Fußboden war mit tiefblauen Kacheln ausgelegt. Auf einzelnen sah Sharon die zwölf Tierkreiszeichen. An den Wänden Bilder,vielleicht eine Ahnengalerie. Sharons Schritte schienen in ihrem Kopf widerzuhallen. Sharon wusste nicht, warum sie plötzlich angespannt war. Sekundenlang sah sie sich mit Abel, Itzak und Peter auf Patrouille in einem Palästinenserdorf, sie sah die Häuser der Araber wie feindliche Unterstände, geschlossene Fenster, sie hörten die schrillen Schreie der Frauen, sahen die hasserfüllten Blicke der Männer, die ängstlichen Mienen der Kinder. Eindringlinge, haut ab, was wollt ihr hier? Der kurze kleine Schmerz an Sharons Knöchel, als sie an die Tür der Bibliothek klopfte, führte sie wieder in die Realität. Sharon sah Regale mit Büchern, an allen Wänden des großen Raumes Bücher, in der Mitte war eine Sitzgruppe aus hellbeigem Leder, eine Treppe führte auf die Galerie, von der mehrere Türen abgingen.
    Guten Tag.
    Sharon hatte die Frau zunächst gar nicht gesehen. Sie saß in der Ecke der Ledercouch, unmittelbar vor Sharon. Neben ihr, dicht bei ihren Füßen, stand eine ungewöhnlich große Dogge. Sharon glaubte plötzlich, jedes einzelne Haar auf ihrem Kopf zu spüren, jede Pore ihres Körpers. In der Bibliothek war es still, irgendwo tickte eine Uhr, tanzten Staubteilchen in den Lichtstrahlen, die von Fenstern der Empore einfielen. Die Frau, blond und wohl in den Dreißigern, rührte sich
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