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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes
Autoren: Asta Scheib
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für den Papierkorb.Das war nicht das Schlimmste für Krug, schlimm waren die Behördenbriefe. Seit Krug ein freier Autor war – er sagte von sich selbst, dass seine Freiheit lediglich darin bestünde, dass er allein entscheiden könne, ob er sich am Tag oder in der Nacht zu Tode arbeiten wolle   –, seit Krug also selbstständig arbeitete, schrieben ihm ständig die Behörden, dass er seine Verhältnisse mit ihnen regeln solle. Krug, beflissen, füllte aus, ließ Urkunden und Verträge fotokopieren, schickte ein. Schon wenn Krug diese Briefe zum Postkasten brachte, ließ er sie zögernd nur hineingleiten in den Schlitz, denn er wusste, dass diese Briefe wieder eine neue Lawine von Anfragen nach sich ziehen, neue Verwirrung in sein Leben bringen würden. Krug sah förmlich die Gesichter der Sachbearbeiter, wenn sie seine, Krugs, Belange wahrnehmen mussten: Schon wieder dieser Krug, der lernt es nie. Der Gedanke, dass seine Verhältnisse mehr und mehr von Computern geregelt würden, war Krug sympathisch. Vor Computern muss man sich nicht genieren.
     
    Am Abend hatte Krug einen Maler besucht, der nur wenige Gehminuten von ihm entfernt wohnte. Die beiden, der Maler Tadeusz und Krug, waren sich allerdings auf der Frankfurter Buchmesse zum ersten Mal begegnet. Krug hatte den Auftrag einer großen Tageszeitung, ein Porträt Tadeusz’ zu schreiben, immer noch nicht ausgeführt, da beide nie Zeit für ein Gespräch fanden. Gestern hatten sie sich endlich in des Malers Wohnung verabredet. Tadeusz wohnte in einem Hinterhof, den man erst durch eine dunkle Remise erreichte. Als ich diese Wohnung kaufte, hatte Tadeuszerzählt, wollte ich Leute animieren, die anderen Wohnungen zu kaufen. Niemand wollte das, weil so viele Türken hier wohnten. Es bereitete dem inzwischen wohlhabenden Tadeusz immer noch Vergnügen, damals so hellsichtig gewesen zu sein und nun für dreißigtausend Mark eine geräumige Vierzimmerwohnung zu besitzen, die verwinkelt war und hell, in der Tadeusz nur eine Küche bewohnte und einen kleinen Raum zum Schlafen. Die anderen Räume, groß und licht, gehörten den Bildern. Haben Sie schon mal ein blaues Bett gesehen?, fragte Tadeusz Krug zur Begrüßung. Ich habe ein neues Bett, ein blaues, sehen Sie, sagte der Maler in kindlichem Stolz, von dem Krug annahm, dass der Maler ihn spielte, so wie seine Sprache oft die Sprache seiner Kinderbücher war. Krug sah neben dem Bett einen bemalten Bauernschrank, ebenfalls blau, und eine wunderschöne Ikone, sonst war der Schlafraum leer. In der Küche gab es Töpfe und Pfannen an einem Stützbalken, einen Herd, einen Tisch, zwei Stühle. Tadeusz hatte Salat zubereitet, von dem er Krug anbot, Brotfladen dazu, es schmeckte köstlich. Zu trinken gab es bei Tadeusz nur Wasser, Tadeusz und Krug wussten, warum. Der Maler sagte, dass der Himmel ihn jetzt auch vom Geschlechtstrieb befreit hatte, wofür er ihm danke, auf Knien danke. Vielleicht könne er, Tadeusz, sich noch einmal daran erinnern, wenn eine gute Frau sich ihm gegen gute Worte ein bisschen hingäbe, aber es mache ihn melancholisch, dieses Leben. Meine Lebensgrundhaltung, sagte Tadeusz, meine Lebensgrundhaltung ist eine große Trauer. Weil das Leben so kurz ist und weil die Weiber mich nicht nehmen. Jetzt schon gar nicht mehr. Ich könnte meistens vor Freude weinen – daherdie Trauer. Aber im Prinzip dürfen Sie mich beneiden. Ich sitze hier und male und besitze nicht einmal ein Jackett. Nur ab und zu möchte ich mal den Himmel versuchen, es mir noch einmal wiederzugeben.
    Er spinnt, dachte Krug, aber er spinnt angenehm. Und er konnte aus seiner Versponnenheit Geld machen. Im Gegensatz zu Krug.
     
    Im Arkadenhof der Bayerischen Landesbank stellen polnische Künstler aus, sagte Tadeusz in das wohlige Schweigen. Wenn Sie mitkämen, würde ich duschen und ein frisches Hemd anziehen.
    Während der Maler im Bad war, sah sich Krug einige seiner Bilder an. Tadeusz, als Kinderbuchillustrator berühmt, setzte auch in seinen Ölbildern naive Schemata ein. Krug sah Paare, die Frauen meist Bräute in Unterhosen und Schleiern, während die Männer korrekt gekleidet den Frauen wie ein Vorwurf zur Seite standen.
    In seinen Kinderbüchern malte Tadeusz unablässig seine Kindheit, wie er sie niemals hatte. Meine Mutter, so sagte der Maler, schlug mich nur deshalb nicht tot, damit sie mich öfter halb tot schlagen konnte.
    Als es an der Türglocke schellte, zögerte Krug. Sollte er öffnen? Doch schon lief Tadeusz aus der Dusche
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