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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes
Autoren: Asta Scheib
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Michael schwer machen, sich anderen Frauen zuzuwenden, ich wollte vielleicht wenigstens den Versuch machen, ihn zu kontrollieren, an mich, an die Kinder zu binden kraft meiner Stellung, meiner juristischen Stellung. Lächerlich, nicht wahr? Manchmal dachte ich, dass ich, obwohl ich keinen Tag mehrmit ihm glücklich war, ihn doch keiner anderen Frau gönnte.
    Ohne Sharon anzusehen, wie zu sich selbst fügte Birke hinzu: Manchmal wünschte ich, Michael würde sterben, damit niemand ihn mir wegnehmen könnte   ... Aber Krug liebt dich doch, warum bist du dann doch weggegangen, fragte Sharon. Wegen Danda und Mauritz, sagte Birke, und in ihrer Stimme war wieder Sicherheit. Ich wollte nicht, dass die Kinder mit ansehen, wie wir einander wehtun, wie wir noch das letzte bisschen Gemeinsamkeit unwiederbringlich zerstören.
    Zerstörung. Sharon hatte gesehen, wie Gemeinsamkeit zerstört worden war. Ihr Vater hatte Ruth verlassen, er hatte eine zerstörte Familie und eine verletzte Frau zurückgelassen, die nun ihrerseits alles, was man ihr an Liebe und Nähe entgegenbrachte, zerstören und verletzen musste. Amnon. Ruth hatte Amnon aus ihrem Leben herausgeprügelt, hatte ihm so lange nachgewiesen, dass er sie, Ruth, nicht liebe, bis er daran glaubte und ging. Nur Großmutter. Ihre Liebe war stark und heil geblieben, blühend über den Tod hinaus. Wie bei Sharon und Alexander. Doch Sharon hatte Furcht vor den Schatten, die sie noch nicht benennen konnte.

9
    Krugs Mütter hatten es als Erste gelesen: Nach langem Schweigen in den Feuilletons war wieder eine Rezension seines
Siegfried
erschienen. Auf der Kinder- und Jugendbuchseite (davor hatte Krug am meisten Sorge gehabt), auf dem falschen Platz also hatte ein Nicht-Leser unter den Kritikern Krugs
Siegfried
noch einmal umgebracht. »Verlogen«, »Falsche Orthografie«, »bloße Nacherzählung« – Überflüssigkeitserklärungen noch und noch. Der Kritiker war zugleich so gemein, den Untertitel falsch zu zitieren, an dem Krug immerhin einen Tag lang herumgebosselt hatte. Krug selbst war ja nicht selten davon überzeugt, dass er saumäßige Texte schrieb – nur: Dieser Schreiber aus der Kinderbuchecke konnte es nicht wissen, er hatte das Buch zweifellos nicht gelesen.
    Krug liebte Literaturkritiken. Nichts las er lieber. Hätte es von seinen eigenen Arbeiten mehr Kritiken gegeben, wie gern wäre er süchtig geworden. Da Krug nichts sammelte, völlig unfähig zum Archivieren war, hatte er sich ein Buch gekauft, in dem die Verrisse eines gefürchteten Kritikers gesammelt waren. Bei der Lektüre hatte Krug gut lachen – denn es traf immer die anderen, Autoren, vor denen die Kritik sonst meist in die Knie ging. Über den Verriss seines
Siegfried
lachte Krug nicht, er war beleidigt, auch wenn er es sich nicht zugeben wollte. Er war beleidigt und formuliertein seinen Gedanken Entgegnungen an den Schreiber, nein, besser noch an den Herausgeber der Zeitung, einen offenen Brief musste Krug schreiben. Natürlich vertrug er, Krug, Kritik. Aber wenigstens musste man das Gefühl haben, dass der Schreiber sein Buch gelesen hatte. Und das war hier wieder einmal nicht der Fall. Ein Lügner war er, der Kritiker, ein Verfälscher und Verleumder und Tatsachenverdreher. Er, Krug, konnte doch nicht zusehen, wie die potenziellen Leser seines Buches durch Fehlinformationen behindert wurden. Wenn er Krug wenigstens noch charmant verprügelt hätte, aber so – nein!
    Kritik, so sagte sich Krug, Kritik könnte ich ja ertragen, aber Polemik nicht. Krug wusste, dass er jetzt wieder tagelang daniederliegen würde, dass sein Selbstzweifel ihn foltern würde, unfähig machen, auch nur sein Tagewerk als Journalist zu bewältigen. War er nicht gestern, als er von der Kritik noch nichts wusste, glücklich gewesen, unbefangen zumindest? Jedenfalls hatte Krug eine weitere Szene seines Hörspiels
Der Kaiser von China
geschrieben. Ein Glück, heute wäre Krug dazu nicht imstande.
    Krug beneidete wieder den Briefträger, der sein Fahrrad daherschob wie die Lostrommel einer Tombola. Krug hörte wie der Pawlowsche Hund auf das Klicken, wenn der Briefkasten des Nachbarn zufiel. Dann sprang Krug auf, drückte den Türöffner und nahm das größere oder kleinere Bündel Briefe in Empfang, das der Postbote ihm wie ein Geschenk strahlend übergab. Jeden Tag nahm Krug die Sendungen mit einer gewissen Neugierde an, obwohl er aus Erfahrung wusste, dass nach dem Öffnen nur wieder ein Haufen Mist übrig blieb, Füllmenge
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