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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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lutschte, öffnete Lars seine Augen und lehnte sich wieder nach vorne.
    »Wie schaffst du das?«, fragte er mich. »Ich habe gerade versucht, an nichts zu denken. Es ist unmöglich. Tausend Gedanken und ein riesiges Durcheinander. Also, wie lautet dein Geheimnis?«
    Ich begann zu kichern.
    Lars trank einen Schluck Wasser und sagte: »Frag mich, woran ich gerade denke!«
    »Woran denkst du gerade?«, kicherte ich noch immer.
    »Mittagessen.«
    »Häh?«
    »Keine Ahnung warum, aber das erste, was mir durch den Kopf ging, war das Mittagessen an deiner Schule: Reibekuchen mit Apfelmus und Salat.«
    »Vielleicht weil es so gut geschmeckt hat?«
    »Kann schon sein.«
    »Und vorhin? An was hast du da gedacht?«
    Lars hörte jetzt auf zu lächeln und griff nach dem Orangensaft. Fast hätte er das Glas umgeworfen, aber er konnte es gerade noch festhalten. Er nahm einen Schluck und schaute nach oben an die Glaskuppel. Ich folgte seinen Blicken. Man konnte den Himmel durch die Stelle des Daches sehen, aber er war grau und kein sonderlich schöner Anblick. Am liebsten mag ich den Himmel hellblau, ohne Wolken und mit viel Sonne oder ganz schwarz mit vielen Sternen.
    »Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen kann«, sagte Lars schließlich. »Ich meine, ob du es verstehen wirst.«
    Ich sah ihn an und wartete ab. Lars fuhr sich über den Kopf und sagte: »Also schön. Ich habe diesen Sommer in Rio de Janeiro verbracht. Weißt du, wo das liegt?«
    »In Brasilien?«
    »Sehr gut.«
    »Orangen kommen aus Brasilien.«
    »Genau. Weißt du was? Schließ die Augen, damit du es dir besser vorstellen kannst.«
    »Was vorstellen?«, fragte ich.
    »Meinen Traum.«
    »Okay.«
    Ich schloss die Augen.
    »Stell dir vor, du gehst an einem Sonntagnachmittag in eine Kirche und siehst ein Mädchen, das dich auf den ersten Blick verzaubert«, begann Lars zu erzählen. »Du sitzt dort, schielst heimlich rüber und kannst dich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Du überlegst dir tausend Worte, die du zu ihr sagen möchtest, was ein Problem ist, weil du kein Portugiesisch sprichst. Dann schreibst du auf die Rückseite des Gesangsblattes deinen Namen, den Namen eines Cafés, ein Datum und eine Uhrzeit und traust dich sogar, es ihr am Ausgang zu geben. Sie nimmt es und lächelt dich verlegen an. Du gehst weiter in eine Bar, weil du zum Fußballgucken verabredet bist – die Europameisterschaft findet gerade statt – aber deine Gedanken drehen sich nur noch um dieses fremde Mädchen und die eine Frage: Kommt sie morgen? Deutschland spielt gegen Dänemark, und der Barkeeper hat wegen dir extra eine deutsche Flagge aufgehängt. Dir geht es zum ersten Mal seit langer Zeit richtig gut, du lehnst dich zurück und schließt die Augen, um diesen schönen Moment für immer festzuhalten. Plötzlich kommt jemand die Straße entlang gerannt. Es fallen drei Schüsse und neben dir verfärbt sich der Bürgersteig rot. Im gleichen Moment schießt Lukas Podolski das Tor zum 1:0, aber niemand jubelt.«
    Lars hörte auf zu reden, und ich fragte, ob ich meine Augen wieder öffnen durfte und trank einen Schluck Cola. Dann schrieb ich Mama eine SMS: Wie geht’s dir? Mir geht’s gut. Hab dich lieb. Lars bestellte sich einen dritten Espresso. Ich überlegte, was ich zu ihm sagen sollte. In seinem Traum gab es zu viele Dinge, die ich mir vorstellen musste. Ich schaffte es nicht, mir alles zu merken. Irgendwann nach diesem Mädchen in der Kirche machte es in meinem Kopf Stopp!
    Ich fragte: »Hast du sie wiedergesehen?«
    Lars grinste und sagte: »Vielleicht.«
    »Komm, sag schon. War sie hübsch?«
    »Ja, sehr.«
    »Hast du mit ihr Sex gehabt?«
    »Hahaha.«
    »Hast du sie geküsst?«
    »Wer weiß?«
    »Mann, ey! Du bist voll blöd. Jetzt musst du’s auch erzählen. Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte.«
    »Benutz doch einfach deine Phantasie«, sagte Lars. »Wenn ich dir jetzt sage, dass ich mit ihr in der Kiste war, ist doch die ganze Magie der Geschichte verschwunden.«
    »Geil, du warst mit ihr in der Kiste. O Mann, wie geil.«
    »Hahaha, und jetzt du!«
    »Was ich?«
    »Jetzt bist du an der Reihe. Ich zähle bis drei und alles, was dir dann durch den Kopf geht, sprichst du laut aus. Ohne darüber nachzudenken. Und dann quatschen wir darüber, wenn du Lust hast. Eins, zwei, drei.«
    »Layla.«
    »Wer ist das?«, fragte Lars.
    »Meine blöde Ex.«
    »Erzähl mir von ihr.«
    Ich wollte nicht.
    »Nee«, sagte ich und spielte an meinem Handy herum. Immer wenn ich an sie
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