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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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WAS noch nie?«
    »Noch nie die Schule geschwänzt.«
    Der Aufzug kam, und wir stiegen ein. Dann stiegen wir wieder aus.
    »Mach dir darüber keine Sorgen«, sagte Lars nachdenklich. »Da wird mir schon was einfallen.«
    »Echt?«
    »Na ja, das ist zwar nicht so einfach, weil die Lehrer sofort bei deiner Mutter anrufen würden, aber ich verspreche dir, dass wir das schon irgendwie hinkriegen. Wir brauchen nur den richtigen Plan. So wie das A-Team.«
    »Geil.«
    »So, und jetzt stellst du mich deiner Lehrerin vor.«
    Bevor die Stunde begann, trank Lars mit Frau Sommer und Frau Wiebke im Aufenthaltsraum unseres Klassenzimmers einen Kaffee. Thomas, unser Zivi, fragte mich, wen ich da mitgebracht hätte, und ich antwortete so laut, dass es auch ja alle verstehen konnten: »Lars ist MEIN cooler großer Bruder aus Berlin!« Ich konnte die neidischen Blicke meiner Klassenkameraden spüren und grinste in mich hinein. Damit hatten sie nicht gerechnet. Ab sofort war Lars mein Beschützer, und niemand würde mir mehr etwas tun. Ich glaube, Frau Sommer mochte Lars, denn als der Gong zur ersten Stunde ertönte, redeten sie immer noch. Dann stellte sie Lars der ganzen Klasse vor und fragte ihn, ob er nach vorne kommen wolle, um ein bisschen über sich zu erzählen. Ich war so stolz, das kann man sich gar nicht vorstellen. Lars erzählte von Berlin und dass er jetzt bei mir wohne und noch ganz viel mehr. Unsere Lehrerin erlaubte den anderen Kindern Fragen zu stellen, aber nur, wenn sie nicht durcheinanderreden würden. Ich lehnte mich zufrieden zurück, weil ich sah, dass sie ihn genauso toll fanden, wie ich. Aber dann hatte ich plötzlich Sorge, sie könnten ihn mir wegnehmen und beschloss, dass niemand in der Pause mit meinem neuen Bruder reden durfte.
    Die Stunde verging wie im Flug. Stefan versuchte sich an Lars anzuschleimen, aber ich machte ihm ziemlich deutlich, dass er das vergessen könne. In der zweiten Stunde schrieben wir einen Englischtest. Lars lag auf dem roten Sofa, das direkt neben meinem Tisch stand. Bei der Hälfte der Fragen half er mir heimlich. Das war schon jetzt der beste Schultag meines Lebens. Im Religionsunterricht sollten wir uns Gedanken über Jesus machen. Als Tim, den wir wegen seiner großen Brille Harry Potter nennen, fragte, ob Jesus, bevor er in aller Öffentlichkeit gekreuzigt wurde, noch geilen Sex gehabt hätte, musste Lars so laut lachen, dass sich alle zu ihm umdrehten. Das war lustig. Dann hatte ich Einzelunterricht in Sport. Ich durfte mir aussuchen, was ich spielen wollte, und ich entschied mich für Tischtennis. Meine Lehrerin gab Lars auch einen Schläger, und so konnten wir zu dritt Rundlauf spielen. Ich hielt ziemlich gut durch, aber als wir im Garten ein Eichhörnchen sahen, machten wir eine Pause, setzten uns leise an das große Fenster und beobachteten, wie es eine Nuss aus dem Boden ausgrub.
    Nach der Schule wollte ich unbedingt ins ELBE-Einkaufszentrum. Wir fuhren mit der Rolltreppe in die erste Etage und setzen uns in ein Eiscafé, weil Lars dringend einen Espresso brauchte. Während der ganzen Busfahrt sprach er von nichts anderem. Er bestellte sich auch eine kleine Flasche Mineralwasser und einen frischgepressten Orangensaft mit Kiwi. Ich bekam eine Cola mit einer Extraschale Eiswürfel und ein paar Zitronenscheiben zum Aussaugen. Wir sprachen kein Wort miteinander, bis Lars seinen Espresso bekam. Er trank ihn in einem Zug aus und bestellte sich direkt einen zweiten.
    »Ah, tut das gut«, sagte er genüsslich und schaute sich um. »Bist du oft hier?«
    »Ja.«
    »Cool.«
    Mir wurde langweilig, und ich begann mit meinem Handy zu spielen. Lars trank seinen Orangensaft und stapelte ein paar Bierdeckel übereinander. Als der Kellner seinen zweiten Espresso brachte, fragte er, was mir gerade durch den Kopf ginge, und ich antwortete ihm: »Gar nichts.«
    Er riss das Päckchen Zucker auf und rührte ihn in seinen Espresso, und ich lutschte an meiner Zitrone herum.
    »Gar nichts?«
    Ich schüttelte mit dem Kopf.
    »Hmm, das ist interessant«, sagte er schließlich, schloss seine Augen und lehnte sich nach hinten gegen das rote Lederpolster. Ich beobachtete zwei ältere Männer, die nebeneinander saßen und sich einen Apfelkuchen mit Sahne teilten. Einer von ihnen hatte eine schwarze Lederjacke an, so wie Lars. Ich würde mir zu Weihnachten auch eine schwarze Lederjacke wünschen, beschloss ich. Nachdem ich meine letzte Zitronenscheibe ausgesaugt hatte und nun an den Eiswürfeln
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