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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich
Autoren: Marcia Muller
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dem Durcheinander auf seinem Schreibtisch
heraus, hielt ihn in den Händen und drehte ihn mit den Spitzen seiner knochigen
Finger unablässig hin und her. Nach einem Augenblick sagte er: »Ja. Es handelt
sich um einen Mann namens Frank Wilkonson. Er steigt jeden Samstag spätabends
im Kingsway Motel an der Lombard Street ab. Am Sonntagmorgen geht er
irgendwohin. Normalerweise kehrt er am Sonntag nach dem Abendessen ins Motel
zurück und bleibt bis ein oder zwei Uhr morgens. Ich möchte wissen, wohin er
geht, und was er macht.«
    »Am Sonntag, meinen Sie.«
    »Auch am Montagmorgen. Alles, bis er
die Stadt auf der Autobahn 101 in südlicher Richtung verläßt.«
    Ich wartete, aber Goldring gab mir von
sich aus keine weiteren Informationen mehr. Sein vorher lebhaftes Gesicht sah
schlaff und erschöpft aus; er wirkte um Jahre älter als gerade eben noch, als
ich hereingekommen war.
    Schließlich fragte ich: »Warum?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Warum wollen Sie herausfinden, was er
tut?«
    Einen Augenblick lang schaute er
erschreckt drein. »Müssen Sie das wissen?«
    »Es würde mir helfen. Je mehr ich über
den Betreffenden und über die Gründe, warum er beschattet werden soll, weiß,
desto bessere Arbeit kann ich leisten.«
    »Ach so. Nun, ich habe da ein Foto.« Er
durchwühlte erneut seinen Schreibtisch und grub einen farbigen Schnappschuß
aus. Ich nahm ihn aus seiner ausgestreckten Hand.
    Es war ein schlechtes Bild, auf
Brieftaschengröße zugeschnitten, im Freien aufgenommen — irgendwo, wo es im
Hintergrund mit Eichen bewaldete Hügel gab. Der Mann hatte ein schmales,
gebräuntes Gesicht, scharfe Züge und strähniges, stumpfbraunes Haar. Er trug
ein kariertes Hemd mit offenem Kragen und schien an einem Zaun zu lehnen.
    Ich nahm meinen Notizblock zur Hand.
»Ich brauche noch einige Angaben über Mr. Wilkonsons Aussehen. Welche Farbe
haben seine Augen?«
    »Können Sie das nicht dem Bild
entnehmen?«
    »Nein.«
    »Nun, ich nehme an, sie sind blau.«
    »Größe, Gewicht?«
    »Er ist groß. Dünn.«
    »Ist das alles, was Sie mir sagen
können?«
    »Ja. Leider.«
    »Wie kleidet er sich normalerweise?«
    »Er arbeitet auf einer Ranch. Salopp
würde ich sagen. Wie auf dem Bild.«
    »Kein Abnehmer für Ihre Hemden, oder?«
Ich lächelte und hoffte, daß er sich etwas entspannen würde.
    Er blieb ernst. »Nein.«
    Seine plötzliche Zurückhaltung und die
mangelnden Einzelheiten über Frank Wilkonson fingen an, mich zu ärgern.
    »Ich nehme an, er fährt ein Auto?«
    »Einen alten Ford Ranchero. Grün.« Er
schaute auf einen Zettel. »Kennzeichen SDK 080.«
    Ich schrieb die Nummer auf und schloß
mein Notizbuch.
    »Mr. Goldring, in welcher Beziehung
stehen Sie zu Frank Wilkonson?«
    »Mein... er ist ein Verwandter. Ein
entfernter Verwandter.«
    »Ich verstehe. Ich nehme an, seine
Besuche in San Francisco laufen immer nach dem gleichen Muster ab. Wie viele
Sonntage hat er denn schon hier verbracht?«
    »Drei, soviel ich weiß.«
    »Und Sie wollen genauere Einzelheiten
über seine Aktivitäten?«
    »Ja, richtig.« Goldring hielt inne,
seine Augen blickten besorgt. Ich spürte, daß er befürchtete, ich würde den
Auftrag ablehnen, denn er fügte hinzu: »Sehen Sie, Frank Wilkonson ist mein...
der Sohn meiner Kusine Meta. Er ist irgendwie komisch. Schon immer gewesen. Seit
er angefangen hat, sonntags hierherzukommen, ist sie in Sorge. Ein Mann wie
Frank kann in Schwierigkeiten geraten, wenn er so allein durch die Stadt zieht.
Sie möchte nur wissen, was er so macht, daß er in Ordnung ist. Das würde sie
beruhigen, und ich konnte ihr die Bitte nicht abschlagen. Aber ich habe keine
Zeit, jemanden zu beschatten, wüßte auch gar nicht, wie man das macht. Deshalb
habe ich Jack gefragt, und der empfahl Sie...«
    Während er sprach, überschlugen sich
seine Worte förmlich, so als ob er diesen Text auswendig gelernt hatte und
fürchtete, etwas zu vergessen. Nun, da ein Wort das andere gab, schien er
Schwierigkeiten zu haben, zu einem Ende zu kommen.
    »Ich nehme an, daß Ihre Kusine Meta
meinte, daß es für Sie leichter sei, ihn zu beobachten, weil Sie hier in der
Stadt leben, während sie wo zu Hause ist?«
    Goldring schaute mich ein paar Sekunden
lang an, und als ich das Schweigen nicht brach, sagte er resigniert: »King
City.«
    Ich schwieg wieder. Er sah mich weiter
an, schließlich benetzte er seine Lippen und blickte auf den Schreibtisch. Als
er den Brieföffner wieder aufhob, zitterten seine Finger leicht.
    Rudy
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