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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich
Autoren: Marcia Muller
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möglich, und wieder schien er keine befriedigenden Antworten zu bekommen.
Als er das letzte Geschäft verließ, wirkte er äußerst niedergeschlagen.
    In einer kleinen Gärtnerei in Potrero
Hill versuchte ich, nahe genug an ihn heranzutreten, um zu hören, was er
fragte; seine Augen ruhten kurz auf mir, also kaufte ich eine Tüte Blumenerde
und kehrte zu meinem Auto zurück.
    Am Red Desert in der Nähe der Market
Street zog ich meine Jacke aus und legte mir einen Paisley-Schal um, bevor ich
eintrat. Drinnen drückte ich mich zwischen den hohen, stacheligen Kakteen in
der Nähe des Ladentisches herum. Wieder konnte ich nicht verstehen, was
Wilkonson fragte, aber als ich das Geschäft verließ, hatte ich eine eigenartig
aussehende Sukkulente mit Namen Crassula cornuta auf dem Arm.
    Als ich den letzten Kauf in mein
Spesenbuch eintrug, überlegte ich, was mein Auftraggeber wohl sagen würde, wenn
ich ihm die Auflistung zeigte. Sollte er Einwände haben, würde ich ihm die
Pflanzen und die Erde überlassen, beschloß ich. Nach ein paar weiteren
Stationen sah der MG wie eine Mischung aus einem rollenden Blumengeschäft und
einer Umkleidekabine aus. Die Pavianblume fuhr auf dem Beifahrersitz; die Tüte
mit Erde lag auf dem Boden; darauf stand die Crassula, ein Sechserpack
Rosenkohlpflanzen (irgend jemand hatte mir gesagt, daß sie in den kühlen
Herbstmonaten in San Francisco gut gedeihen würden) und zwei verschiedene Arten
von Düngemitteln (Fischemulsion und etwas mit der optimistischen Aufschrift
WACHSE!). Der Platz hinter den Sitzen war mit abgelegten Kleidungsstücken
übersät: meine Jacke; mein grüner Lieblingspulli; zwei Schals und eine
Strickmütze; und ein weißer Poncho aus Akryl, den die Großmutter einer Freundin
gestrickt hatte. Die Freundin hatte das gute Stück gehaßt und es mir geschenkt
als unauffällige und schlampige Verkleidung. (Einmal hatte das verdammte Ding
Feuer gefangen; aber es brannte nicht einmal, es schmolz nur.) Ich trug jetzt
nur noch eine verblichene Baumwollbluse, gerade richtig bei dem Wetter, denn es
war inzwischen warm und sonnig geworden — entgegen jeder Vorhersage, wie das
für Herbstnachmittage in dieser Stadt so typisch ist.
    Was zum Teufel sollte ich mit all
diesem Zeug machen, dachte ich und betrachtete meine Einkäufe, während ich an
einer Ampel am Divisadero wartete. Ich hatte überhaupt keine glückliche Hand
mit Pflanzen. Alles, was ich in die Finger bekam, ging ein. Alles, so erinnerte
mich eine innere Stimme, außer den wilden Brombeersträuchern in deinem Garten. Die wollen dich fertigmachen!
    Bei den nächsten Gartencentern blieb
ich im Auto. Nach einem Halt an der Union Street zischten wir den Van Ness
Boulevard in Richtung Lombard Street hinunter, und ich atmete erleichtert auf.
Wilkonson kehrte in sein Motel zurück; meine unsinnige Einkaufstour durch
Pflanzen- und Baumschulen fand ein Ende.
    Aber er fuhr über die Lombard Street
hinaus, blieb auf der rechten Spur, bog ab in Richtung Bay und steuerte auf das
schrecklichste, sonntägliche Verkehrschaos im schlimmsten Touristen viertel der
Stadt zu — Fisherman’s Wharf.
    Cost Plus, dachte ich. Lieber Gott,
Cost Plus.
    Cost Plus ist eine Institution in San
Francisco. Jeden Tag ziehen die Cost-Plus-Läden Horden von Kunden aus aller
Welt an. Hier gibt’s Messingelefanten und Salatbestecke aus Teakholz als
Massenfabrikat; ausgefallene Küchengeräte, Kerzen und Weihrauch; unzählige
Sorten Tee, Kaviar, Rumkuchen und Wein — und im Gartencenter Pflanzen. In den
diversen Cost-Plus-Gebäuden im Wharf-Viertel herrscht stets ein unglaubliches
Gedränge. Im Gegensatz zu den meisten anderen Geschäften in der Umgebung bietet
Cost Plus seinen Kunden einen Parkplatz; und wie die meisten Parkplätze in der
Gegend ist er immer voll.
    Wir krochen an der Bay entlang zur
Columbus Avenue hinunter, wo der Querverkehr die Kreuzung verstopfte und zwei
Rotphasen lang den Verkehrsfluß lahmlegte. Dann bog Wilkonson mehrere Male ab,
wobei jedes dieser Manöver mit größeren Schwierigkeiten verbunden war und uns
zunächst dem Ziel nicht näher brachte. Zunehmend gereizter folgte ich ihm. Die
Autos fuhren chaotisch und verkehrswidrig; Spaziergänger bummelten außerhalb
der Zebrastreifen über die Straße, ohne sich irgendwelcher Gefahren bewußt zu
sein; an der Taylor Street blockierte ein Mann die Fahrbahn, der die Kabelbahn
fotografierte. Ich umklammerte das Lenkrad mit festem Griff und erinnerte mich
daran, daß mein Zahnarzt mich
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