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Diese eine Woche im November (German Edition)

Diese eine Woche im November (German Edition)

Titel: Diese eine Woche im November (German Edition)
Autoren: Michael Wallner
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graue Augen und einen Flaum von hellen Härchen.
    » Sind Sie von den Special Forces? « , fragt Rinaldo.
    Erstaunt schiebt der Soldat ihn von sich, hält ihn mühelos am ausgestreckten Arm. » Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf? «
    » Lassen Sie ihn! « , ruft eine helle Stimme. Tonio drängt sich zwischen den Bewaffneten durch. » Ich kenne diesen Mann! Das ist mein Freund! «
    In all der Wirrnis diesen Satz zu hören, tut Rinaldo gut. Dort kommt Tonio angerannt. Verdreckt, zerschrammt, in blauen Boxershorts baut er sich vor dem Soldaten auf. » Lassen Sie ihn los! «
    » Er hat mir Zeug ins Gesicht gesprüht. «
    » Es war ein Versehen « , sagt Rinaldo.
    » Alles okay? « , fragt Tonio mit erhitztem Gesicht.
    » Es ist so ziemlich alles im Arsch. « Rinaldo lächelt.
    » Dein Herz? Wo sind die Pillen? «
    » Gut, dass ihr es geschafft habt. Wo ist Julia? «
    » Sie sucht ihren Vater. «
    » Ich glaube, ich weiß, wo ihr ihn findet « , antwortet Rinaldo.
    » Wirklich? « Tonio übernimmt ihn aus den Armen des Soldaten. Rinaldos Kopf sinkt an die Schulter seines Freundes. Flüsternd beschreibt der Weißhaarige, wie sie zu dem Krankenzimmer kommen. Überall ist Lärm und Hektik. Männer in Handschellen werden abgeführt. Vor dem Fenster schwebt ein Hubschrauber in der Luft.
    Tonio trägt Rinaldo. » Wie konnten die alle so schnell hier sein? «
    » Das sind die Sicherheitstruppen aus Albarella « , antwortet Rinaldo schwach.
    Blondes Haar taucht vor ihnen auf. » Rinaldo! « , ruft Julia.
    Tonio läuft weiter. » Er weiß, wo dein Vater ist. «
    Julia ist an ihrer Seite. Vor einer Tür entdecken sie einen Infusionsständer. Das Mädchen sieht sich hektisch um. Soldaten stoßen zu ihnen.
    » Dein Vater … « Rinaldo ringt nach Luft. » Ist im Keller. «
    » Seid mal still! « , schreit sie. Eine Mädchenstimme in all dem männlichen Getümmel. Die Männer gehorchen. Obwohl von draußen Lärm hereindringt, hört man etwas, was an ein Tier erinnert. Ein Röhren, ein Röcheln. Julia stößt eine niedrige Tür auf.
    Ein Soldat tritt dazwischen. » Da unten könnte noch einer von denen sein. «
    » Lassen Sie mich durch. « Sie verschwindet in der Tiefe. Die Treppe ist schwach beleuchtet. Zwei vom Sonderkommando folgen ihr. Auch Tonio will hinterher.
    » Lass mich hier « , flüstert Rinaldo.
    » Kommt nicht infrage. « Als wäre der Weißhaarige ein Kartoffelsack, schleppt Tonio ihn weiter. Stufen, Betonwände, Deckenlicht. Klappernde Schritte. Unter ihnen ein Schrei.
    » Papa! «
    Tonio erreicht den Keller. Eigentlich ein Ort, der Appetit macht. Möhren, Tomaten, Äpfel, Kräuter und Pilze, zum Trocknen ausgelegt. Kisten mit Artischocken, die Regale sind gefüllt mit Weinflaschen. In der Mitte des Raumes liegt ein Mann mit dem Gesicht auf dem Boden. Seine Arme und Beine wurden an einen Stuhl gefesselt. Der Stuhl ist umgekippt.
    » Papa! « Julia stürzt hin und wälzt den Stuhl zur Seite.
    Graues Klebeband verschließt den Mund des Hauptkommissars. Während ein Soldat sich an Herberts Fesseln zu schaffen macht, zieht Julia an dem Klebestreifen. Die Augen ihres Vaters. Sein fahles Gesicht, die verkrusteten Haare.
    » Mit einem Ruck geht’s besser « , sagt der Soldat.
    Julia fasst sich ein Herz und reißt.
    » Au « , sagt Herbert.
    » Papa. Du lebst. «
    » Bist du in Ordnung? « , fragt der Düsseldorfer, der seit vielen bangen Stunden von seinem Kind getrennt ist. Der Tochter, die ihm nach Venedig folgte und nichts von seinem Auftrag wusste. Im Palazzo Corniani sahen sie einander zum letzten Mal. Julia kletterte durch eine Öffnung, die für ihn zu eng war. Herbert saß und wartete, er hatte wenig Hoffnung, dass irgendjemand ihn befreien würde. Julia aber war entkommen. Dieser Gedanke gab ihm Zuversicht, während er frierend auf und ab lief. Auf einem Schuh und einem Socken hielt sich Herbert in Bewegung. Er hungerte und hatte Durst. Ohne Worte wurde er abgeholt und auf ein Boot gebracht. Flehend fragte er nach seiner Tochter. Keiner antwortete. Herbert tauschte ein Gefängnis gegen das andere, das Warten ging weiter. Bis die Geräusche von oben ihm neue Hoffnung gaben.
    Der Hauptkommissar ist ein kühl überlegender Polizist, ein kontrollierter Mensch. Doch als er so daliegt, umgeben von Kohlköpfen und bauchigen Grappaflaschen, bricht sich die Erleichterung, die Freude plötzlich Bahn. Der nüchterne Herbert, die Schlaftablette, der Kontrollfreak, bricht vor seinem Mädchen in Tränen aus. Er kann die
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