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Diese eine Woche im November (German Edition)

Diese eine Woche im November (German Edition)

Titel: Diese eine Woche im November (German Edition)
Autoren: Michael Wallner
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die Terrasse des Ospedale San Raffaele und schaut übers Wasser. Sie wünscht sich etwas von der Unbeschwertheit zurück, die früher zwischen ihr und Tonio herrschte. Damit ist es vorbei. Wahrscheinlich sitzt er gerade mit Julia zusammen, wahrscheinlich planen und besprechen sie, wie es weitergehen soll. Die Sonne tut Pippa gut, sie schließt die Augen und versucht, an nichts zu denken.
    Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht der Düsseldorfer Kommissar. Auch wenn das Interesse der Medien für die Ereignisse groß ist, hat Herbert Reichelt darum gebeten, ihn und seine Tochter aus der Berichterstattung herauszuhalten. Durch seine Aussage wurde es zur Gewissheit, dass Commissario Gianfranco tot ist, vermutlich wurde er von den Trucidi ermordet . Julia identifizierte Gianfrancos Stellvertreter, Ispettore Doppio, als den Mann, der sie als unliebsame Mitwisserin hatte ertränken wollen.
    Seit alles zu Protokoll gegeben wurde, möchte Herbert nur noch nach Hause. Einerseits, weil er seiner Dienststelle berichten muss, vor allem aber will er Julia nicht länger den Umständen aussetzen, die die Tage in Venedig zum schlimmsten Urlaub ihres Lebens machten.
    Waren sie wirklich so schlimm? Julia ist gespalten. Sie glaubte, das Leben schon ziemlich gut zu kennen. Sie wusste, was sie will und was sie ablehnt. Bis gestern waren ihre Eltern ein Beispiel dafür, wie sie nicht werden wollte. Plötzlich verwandelte sich ihr langweiliger Vater in einen Menschen, den sie bewundern kann. Noch nie hat Julia so intensive Stunden mit ihm verbracht, noch nie empfand sie so viel Wärme für den korrekten Mann. Und, wer weiß, die Angewohnheit, weiße Socken zu tragen, wird sie ihm auch noch abgewöhnen.
    Und Tonio? Die Begegnung mit ihm war keine Sommerliebe, das ist sicher. Schon einfach deshalb, weil November ist. Was sie erlebten, war mehr als ein Zusammenrücken in der Gefahr, mehr als Leidenschaft, die ihre Todesangst besiegen sollte. Es ging tiefer. Und das tut es immer noch. Während Julia ihrem Vater bei den Vorbereitungen zur Heimreise zusieht, wünscht sie sich, mit Tonio normale, unspektakuläre Dinge zu tun. Miteinander ausgehen, einen Film ansehen, tanzen. Das ist kein versponnener Teenagertraum, es wäre durchaus möglich: Zwischen Venedig und Düsseldorf liegt nur eine Stunde Flugzeit. Doch als läge ein dunkler Stein in ihrem Bauch, fürchtet Julia, dass es anders kommen wird. Tonio ist tief mit seiner Stadt verbunden. Er liebt Venedig über alles, nie würde er es verlassen. Bestimmt wäre er neugierig darauf, was Julias Stadt zu bieten hat, würde auch gern zu Besuch nach Düsseldorf kommen. Doch keine Stadt der Welt kann sich mit Venedig vergleichen. Wer hier geboren ist, dessen Herz schlägt nur hier.
    Julia wollte gerade eine Bluse einpacken. Gedankenverloren legt sie sie beiseite, öffnet die Balkontür und tritt ins Freie. Es ist Abend geworden. Sie hat die gleiche Szenerie vor sich wie vor ein paar Tagen, als der unbekannte Junge auf dem Platz stand, im Schatten des Cafés, vor dem die alten Venezianer sitzen und über Gott und die Welt plaudern. Heute Abend haben sie ihre Anoraks daheim gelassen und präsentieren sich in leichten Pullovern und Anzugjacken.
    Julia streicht über die Brüstung. Tonios Herz schlägt nicht nur für die Lagunenstadt, denkt sie. Es gibt noch einen anderen Grund, weshalb er hierbleiben muss. Eine Liebe, von der er selbst wahrscheinlich gar nichts wusste. Julia lächelt traurig. Ausgerechnet ihre leidenschaftliche Begegnung scheint ihm die Augen geöffnet zu haben.
    » Wenn du so weitertrödelst, verpasst du deine Verabredung. « Herbert taucht in der Türöffnung auf.
    » Schon so spät? « Sie läuft an ihm vorbei ins Bad. Sie hatte das Kleid mit den aufgedruckten Zitronen nur eingepackt, weil es so gut nach Venedig passt. Die Jahreszeit ist dafür eigentlich vorbei. Heute Abend wird sie es tragen. Für ihn. Julia steckt ihr Haar hoch.
    » Wo seid ihr verabredet? « Herbert schließt seinen Koffer.
    Sie schraubt den Lippenstift zu und nennt ihm das Lokal, in dem sie schon einmal war. Die Bar mit Blick auf den Canale Grande. An einem Abend wie diesem ist es der perfekte Ort für ein Rendezvous. Zurechtgemacht tritt Julia ins Zimmer.
    Herbert pfeift durch die Zähne. » Du legst dich aber mächtig ins Zeug. «
    » Ist es nicht toll, dass wir am letzten Abend so schönes Wetter haben? « Sie küsst ihn auf die Wange.
    Herbert bemerkt ihre Fahrigkeit, die ängstlichen Augen seiner sonst so
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