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Diese eine Woche im November (German Edition)

Diese eine Woche im November (German Edition)

Titel: Diese eine Woche im November (German Edition)
Autoren: Michael Wallner
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nie hat er das Tatütata der Polizeisirene mit solcher Freude vernommen. Sie haben das Haus gefunden! Sie haben die Trucidi aufgespürt, sie sind da! Alles in ihm wird warm und hoffnungsfroh. Und das in einer Besenkammer.
    ***
    Tonio legt sich flach hin. Das Haus gleicht einer Festung. Gefeuert wird vom Dach, die Trucidi sind vorbereitet. Was sollen ein paar läppische, schlecht bewaffnete Polizisten gegen diese Geschütze ausrichten? Tonio hat Angst um Julia. Sie sitzt im letzten der drei Fahrzeuge.
    Er hebt den Kopf. Vorsichtig kriecht er aus der Kuhle, in die er sich geworfen hat. Unter ihm führt der Kiesweg vorbei. Die Wagen der Carabinieri sind stehen geblieben. Der vorderste will zurück, der zweite steht im Weg. Im Inneren telefonieren die Männer hektisch. Sie haben Angst. Einer öffnet das Fenster und schießt. Vom Dach der Villa ertönt die Antwort. Kugeln schlagen ins Blech des Polizeiautos. Erleichtert beobachtet Tonio, wie das hinterste Fahrzeug in den Schutz einer Baumgruppe zurücksetzt. Sie bringen Julia aus der Schusslinie.
    Er schleicht weiter. Der Hügel ist abgeflacht und mit jungem Gras bewachsen. Tonio springt in die Vertiefung. Hier unten verbirgt der Hügel ein Tor. Gerade geht es auf. Ungeschützt steht Tonio vor einer offenen Garage. Scheinwerfer flammen auf. Er fühlt sich wie ein Reh, das unvermittelt vor ein Auto springt. Ein elegantes Auto. Ein Maserati Quattroporte, wenn er sich nicht irrt. Obwohl man in Venedig keine Autos sieht, hat Tonio für schicke Flitzer etwas übrig. Die Schnauze ähnelt einem gequetschten Bullauge, darauf prangt der Dreizack des Autobauers. Viel Zeit bleibt Tonio nicht, das Auto zu bewundern. 300 PS röhren ihn an. Hinter der Windschutzscheibe erkennt er gelocktes Haar, eine Sonnenbrille. Wer will da weg, wer haut in der teuren Limousine ab?
    Tonio springt hinter die Einfassung des Weges. In gleichmäßigen Abständen säumen Granitsteine den Weg. So ein Fels wiegt mindestens 30 Kilo. Tonio packt den Brocken, lässt den Maserati heransausen und wirft. Wie ein Katapult schlägt der Fels in die Windschutzscheibe ein. Sie birst, zerspringt nicht, Tausende Risse ziehen sich durch das Glas. Der Fahrer bemüht sich, die Herrschaft über den Wagen zu behalten. Bevor er steht, ist Tonio auch schon da. Reißt die Tür auf, stürzt sich auf den Mann am Steuer. Nicht weil Tonio so tollkühn wäre oder so ungewöhnlich mutig. Er will verhindern, dass der Mann zur Waffe greift. Tonio umklammert dessen Arme. Keine Pistole, nur ein kleiner Koffer auf dem Beifahrersitz. Der Mann will raus. Tonio bemerkt den Ring an seinem Finger, drei Schlangenköpfe aus Brillanten. Sollte er den Trucido persönlich vor sich haben? Der Mann ist an einem Kampf nicht interessiert. Hart stößt er den Jungen zurück und will zu seinem Koffer. Tonio ist nicht so stark wie dieser Mann, flinker ist er allemal. Er hechtet über die Motorhaube, reißt die Beifahrertür auf und schnappt sich den Koffer.
    » Gib das her! « Corniani nimmt die Sonnenbrille ab. Sein Gesicht ist verzerrt. Tonio schaut in die Augen des Mannes, der für alles verantwortlich ist – Julias Entführung, die Schmerzen, die sie durchlitt, die Schüsse auf Rinaldo. Auch dass Pippa durchs Feuer gehen musste, ist die Schuld des Trucido.
    » Gib mir den Koffer! «
    » Nein! « Abhauen wäre das Vernünftigste. Doch im Feuer des Moments fühlt Tonio so etwas wie Triumph. Er wirft den Koffer auf den Kühler, öffnet ihn und reißt das schwarze Tuch beiseite. Da sind sie, die diamantenen Schlangen, gekrönt mit dem Diadem. Die silbernen Leiber winden sich um den Spiegel. Tonio erkennt sein erhitztes Gesicht darin. » Das willst du haben? « Er hebt es hoch.
    Corniani streckt den Arm aus. Er will das Kostbarste schützen, das Emblem, ohne das er selbst nichts wäre, nur ein angsterfüllter Mann, den das Schicksal und die Macht einer Frau in diese Position gebracht haben.
    » Um Gottes willen, nein! « Er nähert sich dem Jungen.
    Tonio holt aus. Nicht auf einem Stein zertrümmert er das Wappen, nicht auf dem Blech der Limousine, er lässt es auf den Kopf des Trucido niedersausen. Der schützt sich mit den Händen. Der Spiegel birst, Splitter regnen auf Corniani herab. Tonio schlägt wieder zu. Er trifft ihn an der Stirn. Die Diamanten sind geschliffen, eine Wunde klafft auf, Blut rinnt Corniani über die Stirn. Tonio schlägt weiter. Das Wappen, für dessen Besitz Menschen getötet wurden, ist seine Waffe. Mit jedem Schlag springen
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