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Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Titel: Diese Dinge geschehen nicht einfach so
Autoren: Taiye Selasi
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typische afrikanische Vater, der seine Kinder im Stich lässt. Und ich habe mir immer gewünscht, dass niemand uns je so sieht.« Er schließt die Augen ganz fest, schüttelt den Kopf. »Und ich
weiß Bescheid
. Ich stehe in diesem Haus, in der Hütte, in der er aufgewachsen ist. Der Mann kam aus dem Nichts; er hat gekämpft, das weiß ich. Ich möchte unbedingt stolz auf ihn sein. Auf das, was er geleistet hat. Er hat so viel erreicht. Aber ich schaffe es nicht. Ich hasse ihn dafür, dass er in dieser dreckigen Wohnung gewohnt hat. Ich hasse ihn dafür, dass er dieser afrikanische Mann war. Ich hasse ihn, weil er meiner Mutter weh getan hat, weil er weggegangen ist, weil er gestorben ist. Ich hasse ihn, weil er allein gestorben ist.«
    Tränen. Aber nicht wie bei Taiwo und Kehinde, so dass alle Dämme brechen und die Fluten strömen. Die Tränen kommen lautlos, er steht da und rührt sich nicht, weil es sich so komisch anfühlt, wenn er sie nach Jahren jetzt einfach fließen lässt. Er lehnt sich an den Türrahmen, zu müde, um weiterzusprechen, und in der Stille hört er draußen die Ochsenfrösche. Er hört nicht, wie das Bett knarzt, als Ling aufsteht. Er fühlt, wie ihre kleinen Hände sein Gesicht umschließen. »Vielleicht war es das Beste, was er tun konnte«, sagt sie leise. »Vielleicht war das, was er getan hat, das Beste, was er tun konnte.« Olu nickt, obwohl ihm das Nicken weh tut. Endlich macht er die Augen auf. Sie lächelt ihm zu, trocknet erst ihre Tränen, dann seine. Er berührt ihre Hand, die auf seiner Wange liegt. Sie glaubt, er möchte, dass sie aufhört, und will die Hand wegziehen. Doch er drückt seine Hand auf ihre, auf seinen Wangenknochen. »Ich möchte es besser machen.« Er küsst sie auf den Mund.
    Er spürt ihre Überraschung, als sie ihm ihre Lippen entgegenhält, so wie sie es früher immer gemacht hat, als sie noch studiert haben, wenn er sie auf dem Old Campus nach Hause begleitet hat und im Schein der Straßenlaterne die Form ihres Mundes betrachtete. Sobald sie diesen Blick spürte, schwebten ihre rosaroten Lippen ihm entgegen, wie aus eigenem Antrieb, nicht gesteuert von der Besitzerin, auch nicht von ihm gesteuert. In der Highschool hatte er auch schon Mädchen geküsst, aber noch nie so, dass die Lippen wie Marionetten waren und seine Augen als Fäden fungierten. Und er hatte noch nie mit einer Frau geschlafen (eine Wahrheit, die er ihr nie offenbarte, halb beschämt, halb gerührt von seinem eigenen Mangel an Erfahrung. Er dachte immer, er würde bestimmt auch andere Frauen haben wollen und andere Körper begehren, als aus den Monaten Jahre wurden, aber er wollte es nicht, will es bis heute nicht, obwohl aus den Jahren schon über ein Jahrzehnt geworden ist. Seine Erste ist auch seine Einzige.) Er berührt ihren Hals, fühlt, wie sich ihr Puls unter seinen vier Fingern beschleunigt. Er spürt, wie sein Herz im Rhythmus ihres Atems schneller schlägt. »Ich möchte es besser machen«, flüstert er zwischen Küssen – ihr Kinn, dann ihr Hals, bis hinunter zu ihrer Brust. Er legt die Hand auf ihre Lendenwirbel, drückt so stark, dass sie sich nach hinten biegen muss, küsst ihr Brustbein, dann ihre Brustwarzen unter dem Baumwollhemd, erst die eine, dann die andere, dann hebt er ihr Hemd hoch. Er presst die ganze Hand gegen ihr Brustbein, fünf Finger, und küsst die Kuhle beim Schlüsselbein, einmal. Die Geräusche, die sie macht, sind kleine Lichter entlang der Landebahn, er führt die Hand hinunter zu ihrer Hüfte, tiefer, umschließt ihre Leiste.
    »Schlaf mit mir«, flüstert sie. »Schlaf mit mir, schlaf mit mir.« Sie packt den Kopf mit solcher Kraft, dass er aufstöhnt, und als er sie anschaut, ist ihr Gesicht eine bleiche Maske, Schmerz, Begehren, Hunger, sie sieht aus wie jemand anderes. Mühelos hebt er sie mit einem Arm hoch, legt sie aufs Bett und zieht sie vollends aus. Mit raschen, gierigen Bewegungen öffnet sie seine Hose und schiebt sie mit den Füßen hinunter bis zu seinen Knien. Er packt mit einer Hand ihre Handgelenke und drückt sie über ihrem Kopf nach hinten, beide Arme gestreckt. »Schlaf mit mir. Bitte.«
    Gleich wird er es tun: mit dem Körper in den Körper eindringen, durch die Schamlippen stoßen, die Hand auf ihrem Mund (obwohl das Stöhnen von ihm kommt, wenn er zu ihrem Innersten vordringt), das glitschig rosarote Gewebe wird sich bereitwillig teilen. Am Anfang wird sich sein Körper fremd anfühlen, irgendwie größer, zu groß und zu
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