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Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Titel: Diese Dinge geschehen nicht einfach so
Autoren: Taiye Selasi
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sie beschützen will. Es wäre ihr gar nicht unrecht, wenn sie sich um jemanden kümmern könnte, da ihre anderen Projekte sich offenbar alle selbständig gemacht haben.
    Doch Ama schüttelt den Kopf. »Ich möchte nicht bleiben, bitte«, sagt sie, staccato, aber unaufgeregt. »Ich wollte Ihnen nur das hier bringen.« Sie streckt Fola eine Tüte hin, eine Ghana-Must-Go-Plastiktüte. Ihr Lächeln und die Augenbrauen verraten, wie stolz sie ist. Mit ihren Bewegungen scheint sie wieder Fola zu kopieren: Sie hält den karierten Beutel genauso hin wie Fola die Blumen. Die Nachahmung ist rührend, tut fast weh. Fola lächelt.
    »
Vielen
Dank«, sagt sie. »Möchten Sie nicht doch bleiben?«
    Ama dreht sich zu ihrem Taxi um. »Nein, ich möchte nicht bleiben, bitte.« Nachdem sie Folas bedauernden Ausdruck gespiegelt hat, lächelt sie. Dann verabschiedet sie sich. Fola ist verdutzt, dass sie so abrupt geht, und hebt die Hand, als das Taxi wegfährt. Während sie an ihrer Zigarette zieht, wiegt sie die Tüte im Arm. Mr Ghartey schließt das Tor.
    Fola geht zurück zu ihrem Liegestuhl und späht in die Tüte. Sie lacht so laut, dass Mr Ghartey einen richtigen Schrecken bekommt. Die Zigarette in der einen Hand, zieht sie mit der anderen die Pantoffeln heraus: abgetragene Schlappen, dünn, bis auf die Sohlen zerschlissen. Sie drückt ihre Zigarette aus, um beide Hände frei zu haben. Jetzt erst sieht sie das Gesicht im Sand. Kweku, unverkennbar (das war bestimmt Kehinde). Sie betrachtet den Mund, die nach oben gehenden Augen. »Da bist du ja.«
    Ja, da bin ich
.
    »Deine Frau ist ein absolutes Genie. Pantoffeln.« Sie fängt an zu lachen, nimmt die Schuhe in ihrem Schoß. »Ich muss schon sagen.«
    Ein Genie
. Er lacht. Sie lacht.
Warum habe ich dich je verlassen?
    »Ich habe dich auch verlassen.« Sie atmet den Geruch ein, vergessen und doch so vertraut. Sie drückt die Sohlen an ihre feucht werdenden Wangen. »Wir haben getan, was wir konnten. Was wir gelernt haben. Und das haben wir gelernt. Verlassen. Weggehen.«
    Stimmt das?
    »Wir waren Immigranten. Immigranten gehen weg.«
    Das reicht nicht als Erklärung
.
    »Wir waren Feiglinge.«
    Wir haben uns geliebt
.
    »Ja, wir haben uns auch geliebt.«
    Hätten wir es nicht lernen können? Das Nicht-Weggehen?
    »Keine Ahnung.« Kurz schweigt sie. Sie weiß, dass die Bediensteten sie vom Tor aus beunruhigt beobachten. Aber es ist ihr egal. Sie denkt etwas, was sie aber nicht ausspricht: Man kann in einem Leben nicht alles lernen. »Bist du noch da?«
    Ja. Für immer
.
    Sie lacht. Stimmt höchstwahrscheinlich. »Wir haben gelernt, wie man liebt. Sie können jetzt lernen, wie man bleibt.«
    Wie geht es ihnen? Den Kindern
?
    »Sie sind hier«, sagt sie und deutet. »Ich habe bekommen, was ich mir gewünscht habe. Sie sind alle da über Weihnachten. Es gibt Wildgeflügel. Dein Olu besteht natürlich darauf, dass er den Braten anschneidet.«
    Mein Olu
.
    »Stimmt doch. Er war immer dein Liebling.«
    Deine Sadie
.
    »Aber wessen Liebling sind dann …«
    Sie gehören einander. Die Zwillinge
.
    »Die Zwillinge …« Sie verstummt. Hört ein Auto anrollen. Die Hupe. »Sie sind wieder da. Ich muss los.« Aber sie geht nicht. Sie sitzt da, schiebt die Hände in die Hausschuhe, als wären sie Fäustlinge, und hält sie wieder ans Gesicht. »Du musst jetzt gehen«, sagt sie leise. Sie kneift die Augen zu. Das Tor scheppert. Reifen knirschen im Kies. »Ich weiß, ich weiß, ich weiß.« Dann ist alles still. Wagentüren öffnen sich, werden zugeworfen. Sie nimmt die Hände aus den Pantoffeln und macht die Augen auf.
     
    Ein Sonnenuntergang mit den Farben der Morgendämmerung.
    »Wir haben einen gefunden!«, ruft Sadie.
    Fola schaut zu, wie sie den Baum aus dem Kofferraum ziehen. Benson grinst, winkt ihr, sie winkt zurück. »Ich komme.« Sie stellt eine Zehe auf den Mund im Sand. Die Skizze ist sagenhaft gut, eindeutig Kweku. Fola betrachtet sie noch einen Moment und wartet, ob sie noch etwas hört. Dann lacht sie. Warum wartet sie? Es gibt nichts, worauf sie warten könnte. Sie nimmt seine Pantoffeln und bringt sie ins Haus.

Aussprache, Bedeutung und Herkunft der Namen
    AUSSPRACHE
BEDEUTUNG
HERKUNFT
ACCRA
a-
kra
Hauptstadt von Ghana
Ghana
EKUA
e-
kwi
-a
Mädchen, am Mittwoch geboren
Ghana
FEMI
fe
-mi
Kurzform von Babafemi »Geliebt von seinem Vater«
Nigeria
FOLA
fo
-la
Kurzform von Folasadé
Nigeria
FOLASADÉ
fo-la-
scha
-de
»Reichtum ziert meine Krone«
Nigeria
IDOWU
i
-do-wu
Geboren
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