Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Titel: Diese Dinge geschehen nicht einfach so
Autoren: Taiye Selasi
Vom Netzwerk:
britischem Akzent anweisen würde (nicht ganz nachvollziehbar): »Danke, das wäre alles.« Seine Kinder friedlich im Schlafzimmer-Trakt schlafend (jetzt der Gästezimmertrakt), während der Koch im Speisetrakt das Frühstück zubereitet. Und Fola. Mit Abstand der beste Teil des Bildes. In ihrem blauen Bikini schwimmt sie ihre letzte Morgenbahn, ihr Afro voller Tropfen, lauter glitzernde Juwelen, so steigt sie aus dem Wasser wie Aphrodite aus dem Schaum der Brandung (eher unwahrscheinlich, Fola konnte es nicht ausstehen, wenn ihre Haare nass wurden) und winkt.
    Strichmännchen auf einer Serviette.
    Sie: lächelnd, tropfend, winkend.
    Er: lächelnd, Kaffee trinkend, zurückwinkend.
     
    Stattdessen hat er sich angewöhnt, jeden Morgen hier mit seiner Zeitung und seinem Frühstück zu sitzen (Mocha des armen Mannes, vier fette Dreiecke getoastetes Kakaobrot), auf allen Seiten bedrängt von den deckenhohen Fenstern und von der Vision eines Zimmermanns und Mystikers.
    Dieser verdammte Kerl.
    Mr Lamptey.
    Der Zimmermann. Jetzt der Gärtner. Immer noch ein Rätsel. Der das Haus in zwei Jahren gebaut hat, einwandfrei und allein, der bei der Arbeit Haschisch raucht, sich in der Mittagspause seine Blunts stopft und bei jeder Verletzung des Holzes Klagegesänge anstimmt, der zur Arbeit in Swami-Kleidung erscheint (safrangelb, barfuß, einen Werkzeuggürtel um die Hüfte geschlungen) und eigentlich nicht wie ein weiser Mann aussieht, sondern eher wie ein alt gewordener Stripper, mit seinem Hammer und Meißel und den nackten gemeißelten Beinen. Eine uralte Seele im Körper eines jüngeren Mannes, mit den Augen eines kleinen Kindes in seinem Altmännergesicht, gut siebzig Jahre alt, mit seinem grünen Star und dem Sixpack. Er sabotierte die Glasveranda und verweigerte Kweku seinen Ausblick. Aber er verstand die
Vision
: einfache einstöckige Anlage. Der einzige Zimmermann in Accra, der bereit war, so etwas zu bauen.
    Die anderen, die sogenannten »Luxus-Architekten-Bauherren«, hatten alle ihre eigenen Vorstellungen (alle
die gleiche
Idee), wie ein Haus aussehen soll: nämlich so kitschig und protzig, wie es die finanziellen Mittel zuließen, ohne jeden Bezug zu irgendeinem afrikanischen Architekturkonzept. Kweku versuchte, sein Anliegen so höflich wie möglich zu erklären, in einem überklimatisierten Büro nach dem anderen: (a) dass sein Haus, so wie er es sich vorstellte, keineswegs »wie ein Fremdkörper« wirken würde, wie die Bauherren meinten (»wir sind hier nicht in den Staaten«); (b) dass Accra schon immer eine Vorliebe für eine kühne modernistische Architektur hatte, man brauchte sich nur den genial futuristischen Black Star Square anzuschauen; (c) dass eine Anlage um einen Innenhof herum in der Tat eine klassische ghanaische Baustruktur war, die genau zur Umgebung passte, was man von ihren Vorzeigehäusern nicht behaupten konnte. Ihre Häuser waren im Grunde nichts als Lagerhallen – kein »Zuhause« –, Hallen, in denen man seine Einkäufe unterbringen konnte: Geschmacklose Gemälde, Veloursofas, Plastikblumen, pfundweise Kitsch, Perserteppiche, Samtvorhänge, Kronleuchter, Bärenfellteppiche, alles in den Tropen total unangebracht. Und billig. Gleichgültig, wie aufwändig sie bauten, mit dreistöckigen Vorhallen und Säulen und Swimmingpools – die Häuser wirkten immer billig.
    Worauf die Unternehmer, so höflich sie konnten, erwiderten, es sei ihm jederzeit freigestellt, das Büro zu verlassen und nie wiederzukommen. Nach der siebten Begegnung dieser Art steckte Kweku seinen kleinen Entwurf (auf der inzwischen dreizehnjährigen Serviette) in die Tasche über seinem Herzen und verließ ohne übertriebene Eile das Büro, ging die Treppe hinunter, durch den Eingang, hinaus auf die High Street.
    In die strahlend glitzernde Sonne.
     
    Die schwüle Luft begrüßte ihn als Rückkehrer mit warmen, offenen Armen. Er blieb ein paar Augenblicke stehen, gab sich der Umarmung hin. Dann winkte er einem Taxi, das ihn nach Jamestown bringen sollte. Jamestown war der älteste Teil von Accra und bei weitem der geruchintensivste. Ein stinkender Slum am Meeresufer, Hütten aus Blech und Pappe, im Schatten des ehemaligen Präsidentenpalastes – wo sich Kweku, dem Gestank von getrocknetem Schweiß und totem Fisch trotzend, in seinem eingerosteten Ga nach einem Zimmermann erkundigte.
    * * *
    »Ein Zimmermann?«, fragte jemand und zischte die Frage dem Nächsten zu.
    »Ein Zimmermann …«, murmelte der andere und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher