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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert
Autoren: Hans Fallada
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Mutter. Es stehen nur sechs Worte darauf, aber sie treffen ihn ins Herz. »Deine Mutter wartet auf dich, Hannes«, liest er.
    Er legt den Kopf auf den Tisch und träumt. Vielleicht weint er auch ein wenig, wer weiß, man sieht es nicht.
    Schließlich, nach einer langen Zeit, sieht er hoch.
    Er liest noch einmal den Brief seiner Mutter, trotzdem er jedes Wort in ihm kennt. Dann legt er ihn sorgfältig in die – ach! – so dünn gewordene Brieftasche.
    Den Scheck aber zerreißt er mit beiden Händen in viele kleine Schnitzel.
    Dann nimmt er seinen Koffer und geht wieder einmal aus seinem Zimmer, weiter auf seiner Irrfahrt – ins Nichts.
Der Arbeiter
    In einer Automobilfabrik in Detroit steht Johannes Wiebe am laufenden Band der Motorenmontage und setzt Muttern auf. Langsam laufen, mit ihrer Unterseite nach oben, die Motoren an ihm vorüber. Acht Muttern hat er auf acht Bolzen zu stecken, weiter nichts. Er muss sie nicht umdrehen, er braucht sie nur aufzustecken.
    Neben ihm, fast in Ellbogenberührung, steht ein kleiner krummer Ire, Mike, der die Lagerdeckel auf die Bolzen legt, rechts neben ihm steht ein baumlanger Neger, Jeff, der mit einem elektrischen Schlüssel die Muttern anzieht.
    Johannes Wiebe steht nicht den ersten Tag am laufenden Band, aber trotzdem steht ein Werkmeister hinter ihm und beobachtet genau, wie Wiebe aus einer eisernen Schale acht Muttern greift, sie mit der andern Hand rasch aufsetzt – er hat grade so viel Zeit, es eiligst zu tun, während der Motor an ihm vorüberfährt – und schon wieder nach acht neuen Muttern greift, denn jetzt ist schon wieder der nächste Motor da.
    Johannes Wiebe schaut nicht auf. Mechanisch greift er nach den Muttern, mechanisch setzt er sie auf. Seine Finger sind schon ziemlich geschickt und flink geworden, selten vergreifen sie sich und fassen nur sieben Muttern. Selten muss er eine kleine Bewegung nach rechts hin machen, um dem Motor zu folgen, weil noch nicht die achte Mutter aufgesetzt ist. Dann stößt er gegen den Ellbogen des Negers Jeff, der scheinbar sehr zornig mit den Zähnen fletscht.
    »Nimm dich heute zusammen, Jack«, sagt der Werkmeister ermahnend. »Pass auf deine Arbeit auf, du darfst das Band heute nicht wieder aufhalten.«
    Johannes-Jack Wiebe antwortet nicht. Dafür sagt derkleine Ire: »Er macht’s, so gut er kann, Herr. Er ist noch nicht voll eingearbeitet. Gestern Nachmittag lief das Band für ihn zu schnell.«
    »Er bekommt aber seinen vollen Lohn«, sagt der Werkmeister böse. »So hat er seine volle Arbeit zu tun. He, du, Deutscher, ich spreche mit dir! Du sollst das Band nicht aufhalten! Du sitzt schon wieder am Ellbogen von Jeff!«
    »Entschuldigen Sie, Herr! Das Band läuft schon wieder sehr schnell.«
    »Wollen Sie Ihre Arbeit tun oder wollen Sie nicht?«
    »Ich will schon, Herr.«
    »Dann tun Sie sie auch!«
    Mehr zu den andern als zu Johannes Wiebe: »Ich kenne diese Deutschen, sie taugen alle nicht zu vernünftiger Arbeit. Immerzu wollen sie denken! Du sollst deine Muttern rechtzeitig aufsetzen, du!«
    »Jawohl, Herr!«
    »Also, ich habe es dir gesagt! Wenn du das Band noch mal aufhältst, du ...!«
    Der Werkmeister geht langsam, beobachtend, an seinem Bandabschnitt entlang und sucht ein neues Opfer, Johannes Wiebe fährt sich eilig mit der Hand über die Stirn.
    »Mach zu«, mahnt ihn Mike. »Der Boss hat dich mächtig auf dem Strich.«
    »Ich mache so schnell ich kann, aber ...«, sagt Johannes Wiebe mutlos.
    »Aber du kannst nicht sehr schnell, was? Schau den Jeff an, der könnte zehn statt acht Muttern in seiner Zeit festdrehen.«
    Der Neger fletscht wieder die Zähne. Es erweist sich nun, dass dies sein Lachen ist.
    »Mach dir nichts aus Boss«, sagt er tröstend, »das allesDummartigkeiten sein. Gib mir zwei Muttern, ich sie setze auf ...«
    Johannes Wiebe seufzt tief. Das bisschen Stirnwischen hat ihn schon wieder aus dem Takt gebracht, er bedrängt schon wieder Jeff.
    »Nimm dich doch in acht, Jack!«, ruft Mike ärgerlich. »Der Boss guckt schon wieder. Ruf einen Helfer, geh aufs Klo, ehe du ...«
    Aber es ist schon zu spät, der Werkmeister kommt zornsprühend zurück.
    »Eben ist da unten ein Motor mit nur sechs Muttern an mir vorbeigelaufen! Du hältst nicht nur das Band auf, verdammter Deutscher, du bringst es noch so weit, dass mir Motoren bei der Prüfung zurückgewiesen werden!«
    Johannes Wiebe ist viel zu klein und viel zu beschäftigt, um zu antworten. Er muss acht Muttern greifen, sie aufsetzen, der neue
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