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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert
Autoren: Hans Fallada
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gleichgültig und hoffnungslos aus.
    Der Arbeiter am Laternenpfahl sagt schnell flüsternd zu dem Alten: »Det is det Nesthäkchen von diese Arbeitergeberfamilje, der junge Bruder von dem Herrn Syndikus ...«
    Der alte Arbeiter sieht interessenlos zu, wie der junge Herr jetzt aus der Taxe steigt und sich vom Fahrer einen Koffer herausreichen lässt.
    »So«, sagt der alte Mann.
    »Den kenn ick«, flüstert der junge Arbeiter aufgeregt. »Mit dem hab ick früher mal jespielt! Der war nich übel. Der hatt ’n Sinn für uns. Den hau ick an, Willem!«
    »Wat hat denn det for ’nen Sinn?«, fragt der alte Arbeiter hoffnungslos. »Stempeln jehn musste doch!«
    Der junge, etwa zwanzigjährige Herr, sehr jugendlich und ein wenig weich aussehend, hat unterdes die kleine Arbeitergruppe am Fabriktor bemerkt und stutzt. Aber schon ist der junge Arbeiter bei ihm, fasst nach dem Koffer und sagt eifrig: »Gestatten Sie, Herr Wiebe! Sie kennen mich doch noch? Ick bin Raschke, Martin Raschke – der Sohn von Ihrem früheren Gärtner.«
    Der junge Herr, sehr gepflegt – der Gegensatz in Kleidung, Haltung, Hautfarbe zwischen ihm und den Arbeitern ist sehr auffällig –, ist trotzdem erfreut. »Martin! Natürlich! Und ob ich dich kenne! Weißt du noch, wie du mich mit dem Kopf zuerst in die Regentonne gestoßen hast?«
    Martin Raschke muss unwillkürlich lachen. Dann aber sagt er mit einem Blick auf die andern, die scheinbar teilnahmslos dastehen, in Wahrheit aber gespannt zuhören, mit Nachdruck: »Dafor setzen Sie mich jetzt auf die Straße!«
    »Ich –?« Der junge Herr ist sichtlich verwirrt. »Was heißt das, Martin? Ich dich auf die Straße? Was bedeutet das hier? Warum geht ihr nicht in die Fabrik? Was ist das für ein Anschlag?«
    »Die Fabrik ist wegen Arbeitsmangel geschlossen, Herr Wiebe.«
    Langes, tiefes Stillschweigen.
    Dann: »Wir hier kommen grade von Montage – es ist wohl schon am Dienstag passiert, Herr Wiebe.«
    Der junge Herr Wiebe ist sichtlich verwirrt und erregt, die Arbeiter beobachten ihn aufmerksam. Er spürt aller Blicke auf sich, möchte reden, wie es ihm ums Herz ist, und fühlt sich doch als Sohn der Fabrik.
    »Ich komme von einer Reise«, sagt er abgerissen. »Mein Bruder hat mir kein Wort davon geschrieben. Ich verstehe nicht – wirklich ganz geschlossen, für alle?«
    Der Klingler sagt bösartig: »Für Sie nicht junger Herr! Sie müssen nicht uffs Arbeitsamt!«
    Eine grobe Stimme aus dem Arbeiterhaufen ruft: »Halt die Klappe, Euschen!«
    »Ich verstehe es nicht«, sagt der junge Herr wieder. »Ich habe auf meiner Reise Aufträge reingeholt, nicht viel, aber drei, vier Wochen helfen sie uns weiter. Mein Bruder ...«
    Er sieht die Arbeiter an, als erwarte er ein hilfreiches Wort von ihnen, aber die Arbeiter sehen ihn nur stumm an. Schließlich erbarmt sich seiner Martin Raschke und sagt: »Aber wenn Sie Aufträge rinjeholt haben, isset vielleicht nur ein Missverständnis, Herr Wiebe?«
    Der junge Mann belebt sich. »Gewiss! Sicher! Mein Bruder wird übersehen haben ... Und außerdem wollte ich Anfang nächster Woche nach den Staaten, nach Amerika – ich würde sicher auch dort Aufträge ...«
    Ihm ist, als sei er vor den Kopf geschlagen, als müsse er sich rechtfertigen vor seinen Arbeitern. Plötzlich sagt der alte Mann am Laternenpfahl und hebt dabei den Schuh: »Junger Herr, det sind meene Schuhe bei voller Arbeet! Bei mir stempeln nämlich schon viere zu Hause! Wolln Se mir vielleicht sagen, wie meine Sohlen bei Arbeitslosigkeit aussehen werden?«
    »Schrecklich!«, sagt der junge Herr Wiebe und macht unwillkürlich einen Griff zur Brusttasche, als wollte er dem Arbeiter Geld schenken. Aber er schämt sich sofort, dafür sagt er mit festerer Stimme: »Es ist bestimmt ein Irrtum. Ich werde sofort mit meinem Bruder sprechen. Die Entlassungen werden rückgängig gemacht werden, ich kann es euch jetzt schon sagen. Ich habe ein paar Aufträge, und ich werde so viel Aufträge aus den Staaten bringen ...«
    Mit einem liebenswürdigen Lächeln: »Sie denken, weil ich so jung aussehe, kann ich nicht gut verkaufen? Aber ich bin ein guter Verkäufer! Und ich werde an euch denken ...«
    Er ist bei seinen Worten immer weiter auf das kleine Tor zugegangen. Jetzt zieht er einen Schlüssel aus der Tasche, nimmt Martin den Koffer ab, sagt: »Danke schön, Martin – für alles!«
    Das Tor fällt zu.
    Martin dreht sich zu den anderen um, sieht sie triumphierend an und sagt: »Na, seht
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