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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert
Autoren: Hans Fallada
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ihr?«
    Stille.
    Dann antwortet der Klingler bösartig: »Der quatscht mir zu ville – viel jequatscht is halb betrogen, hat meine Jroßmutta immer jesagt!«
Die Herren in der Fabrik
    In seinem recht gut ausgestatteten Fabrikbüro sitzt hinter dem großen, säuberlich aufgeräumten Schreibtisch der ältere Bruder von Johannes Wiebe, der Syndikus Thomas Wiebe, und erteilt dem Prokuristen der Firma, dem alten weißhaarigen Blohm, seine Weisungen.
    Trotzdem Thomas Wiebe erst etwa dreißig Jahre alt ist, ist er schon ziemlich füllig. Das Gesicht, unverkennbar dem seines jungen Bruders ähnlich, hat nichts mehr von Frische und Mut, es ist das etwas fett gewordene Gesicht eines erfolgreichen Geschäftsmannes, vor allem aber eines Mannes, der sich für zum Mindesten sehr gut aussehend hält und recht eitel auf dieses Aussehen und auf seine Erfolge ist.
    Herr Thomas Wiebe sitzt bequem in seinem Armstuhl und sieht nicht zu dem auf der andern Seite des Schreibtisches stehenden Prokuristen auf. Er spielt mit einer dünnen, goldenen Uhrkette, während er sagt: »Also, Sie sehen, dass bei der Auszahlung der Restlöhne alles glattgeht. Ich wünsche kein Geschrei und Geschimpfe – vor allem keine Zeitungsnotizen.«
    »Sehr wohl, Herr Wiebe!«
    »Es ist unsre Privatsache, ob wir arbeiten oder schließen. Wir sind ein Privatbetrieb. – Für alle Fälle können Sie ja das Polizeirevier verständigen, dass es ein paar Schutzleute in der Nähe hält.«
    »Ich würde nicht gerne ...«
    Der Prokurist bricht ab, denn sein junger Herr hat mit einem nicht misszuverstehenden Ausdruck hochgesehen.
    »Was würden Sie nicht gerne, Herr Blohm?«
    »Die Firma Hermann Wiebe hat in den siebenundzwanzig Jahren ihres Bestehens noch nie mit der Polizei zu tun gehabt!«
    »Eben! Die Firma Hermann Wiebe würde auch in diesem Falle nichts mit der Polizei zu tun haben, sondern schlimmstenfalls ein aufsässiger Arbeiter.« In einem andern Ton: »Seien Sie kein Narr, Blohm! Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Betrieb unter den jetzigen Verhältnissen nichts abwirft. Wozu sollen wir uns all die Arbeit und Mühemachen, bloß damit wir an den Staat Lohnsteuern und Arbeitslosenversicherungen abführen? Ich denke, ich bin ein Kaufmann!«
    Der Prokurist Blohm, mit versteckter Ironie: »Das sind Sie, Herr Wiebe!«
    »Ich mache keine Geschäfte ohne Verdienst. Ich bin kein Beitragskassierer ...«
    »Siebenundzwanzig Jahre haben diese Schornsteine geraucht, Herr Wiebe. Und jetzt ...«
    »Jetzt sind sie in siebenundzwanzig Jahren alt und sentimental geworden, Blohm. Gehen Sie vier Wochen in Urlaub, gehen Sie acht Wochen, gehen Sie ein halbes Jahr ...«
    »Sie brauchen mich nicht mehr, Herr Wiebe?«
    Der junge Herr lenkt ein. »Also ruhen Sie sich erst einmal aus. Ob wir Sie brauchen oder nicht, entscheidet meine Mutter. Vorläufig bin ich nur der Syndikus der Firma ...«
    »Und wären Sie der Herr, würden Sie mich auch entlassen. Ich danke Ihnen, Herr Wiebe ...«
    Der alte Mann dreht sich um und geht gegen die Tür.
    Thomas Wiebe ruft ihm ärgerlich nach: »Ich habe kein Wort von Entlassung gesagt – wenn Sie meiner Mutter Derartiges erzählen, lügen Sie. Ach was, seien Sie nicht so empfindlich, Blohm!«
    Der alte Prokurist hat nicht mehr auf die Worte seines Herrn gehört, ohne Antwort will er aus dem Zimmer. Da öffnet sich die Tür, und Johannes Wiebe stürmt herein.
    »Was ist das«, ruft er erregt. »Ihr habt hier zugemacht?! Warum denn? Ich habe euch Aufträge für drei Wochen gebracht ...«
    Der Prokurist Blohm, zu sehr beschäftigt mit seinem eigenen Schmerz, um die Aufregung seines jungen Herrn zu verstehen, verweist ihn mit einer Handbewegung an seinenBruder: »Darüber müssen Sie mit dem Herrn Syndikus sprechen ...«
    Und geht.
    Johannes Wiebe starrt ihm verblüfft nach, vergisst ihn aber sofort wieder und wendet sich an seinen Bruder, der sich mit einem halb spöttischen, halb überlegenen Lächeln von seinem Sitz erhoben hat.
    »Und du hast mir kein Wort davon geschrieben. Du hattest kein Recht ...!«
    Der Ältere fasst ihn bei den Schultern. »Ist das eine Begrüßung nach einer so langen Reise?! Guten Tag, Hannes, du siehst prächtig aus. Ich habe mich sehr über deine Berichte und vor allem über die Aufträge gefreut. Du hast dir wirklich deine Sporen verdient. Mutter ist auch ganz glücklich.«
    »Wie geht es Mutter? Ist sie drinnen?«
    Er deutet mit dem Kopf auf eine Tür im Rücken des Bruders.
    Der Bruder weicht aus. »Ich glaube, im
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