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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert
Autoren: Hans Fallada
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Grobheiten gesagt, diesmal vielleicht etwas mehr als üblich – das ist nicht tragisch. Ein paar Monate Trennung werden das schon ausgleichen.«
    »Und die Fabrik?«
    »Mit welcher Hartnäckigkeit du plötzlich auf der Fabrik bestehst! Sonst war dir Vaters Werk ziemlich egal, und du warst ganz froh, dass dein Bruder und ich dir alle Arbeit abnahmen. Also, die Fabrik bleibt natürlich geschlossen. Ich bin noch einmal mit Blohm, der doch wahrhaftig nicht deines Bruders Freund ist, alle Unterlagen durchgegangen. Der Betrieb trägt sich jetzt gerade noch, bald würden wir zulegen.«
    »Und wir sind zu arm, um einmal ein paar Monate zuzulegen?«
    »Rede doch keine Albernheiten, Hannes – bist du ein Sozialist? Eine Fabrik ist ein Geschäftsunternehmen und wird nach geschäftlichen Grundsätzen geführt. Unser Privatvermögen hat damit gar nichts zu tun.«
    »Stammt aber aus den Erträgnissen der Fabrik!«
    »Wahrhaftig, Hannes, dein Bruder hat recht: du bist ja ein halber Kommunist. Aber über diese Dinge wollen wirnicht reden. Du bist bisher recht zufrieden gewesen, dass ein Privatvermögen da war.«
    »Und jetzt habe ich etwas verstanden, nämlich, dass man nicht alle Last auf die Rücken der Schwachen abladen darf. Ich habe unsere Monteure vor der Fabrik stehen sehen.«
    »Thomas hat mir das erzählt. Das hat dein Herz bewegt – macht dir alle Ehre, Hannes. Aber haben wir schließlich diese Leute arbeitslos gemacht? Die Regierung mit ihrer verfehlten Politik ist schuld. Schließlich weißt du es schon länger aus den Zeitungen, dass es in Deutschland soundso viel Arbeitslose gibt, dass da nun grade unsre zwölf dein Herz so bewegen ...«
    Johannes in plötzlichem Ausbruch: »O Mutter, hör auf! Ich kann das nicht hören. Du bist doch meine Mutter, ich weiß doch, du hast ein gutes, weiches Herz, und du redest von denen vor den Toren, als seien es ganz andere Menschen, die nichts Gemeinsames mit uns zu tun haben!«
    »Es sind auch andere Menschen!«
    »Da war ein alter Mann, der hat mir seine durchlöcherte Schuhsohle gezeigt. Da war Martin, der Junge vom Gärtner Raschke, mit dem ich früher gespielt habe – wie ein alter Mann sah er aus, und er ist ebenso alt wie ich! Mutter, ich empfinde es wie eine Schuld, dass ich hier mit heilen Kleidern in einem gut geheizten Zimmer sitze, und die da draußen in der Nässe ... Ich ertrage es nicht! Mutter, mach die Fabrik wieder auf, gib ihnen wenigstens dies bisschen Arbeit! Ich will feierlich vor allen Notaren und in allen Verträgen, die mein Herr Bruder für gut befindet, auf meinen Anteil an Fabrik und Vermögen verzichten.«
    Die Mutter, nun gar nicht mehr Dame, sondern nur noch Mutter, zieht mit einer plötzlichen zärtlichen Gebärde seinen Kopf an sich.
    »Mein armer Junge! Wie du leidest! Wie ich dich wiedererkenne! Du konntest nie ein Tier leiden sehen – diese elende Zeit ist viel zu viel für dich ...« In ärgerlichem Ton: »Dass diese albernen Kerle auch gerade vor dem Tor stehen mussten!«
    Der Sohn, hoffnungsvoll, nahe der Mutter: »Du wirst die Fabrik wieder öffnen, ja, Mutter?«
    Die Mutter richtet sich straffer auf, die zärtliche Minute ist vorüber.
    »Aber das ist unmöglich, Hannes! Sieh es doch ein! Man führt keine Fabrik mit zärtlichen Gefühlen.«
    Der Sohn, erst halb und halb entschlossen, sich vor den Folgen des eigenen Entschlusses fürchtend: »Dann muss ich fortreisen ...«
    Die Mutter herzlich: »Natürlich – ich halte es auch für das Beste. Reise eine Weile, sieh dir die Staaten an. Es soll da auch nicht mehr so blühend aussehen. Geh nach Südamerika, bleibe ein, zwei Jahre dort. Wir – ich werde dich vermissen, aber ...«
    »Nein, Mutter, nicht so. Wenn ich reise, nicht so. Wenn ich jetzt von euch gehe, dann trenne ich mich von euch. Nicht von dir, Mutter, aber von – ihm und von Vaters Werk, das ihr falsch, verderblich führt, wie ich fühle.«
    »Und von was willst du leben, mein armer Träumer? Die Welt draußen wird« – Blick durchs Zimmer – »keine Stuben voll Ölbilder und geliebter Bücher für dich bereithalten. Die Welt ist hart, nicht nur vor den Fabriktoren deines Vaters, überall ist sie hart.«
    »Ich kann auch hart sein! Mutter, wenn ich jetzt reise, hast du dich gegen mich und für Thomas entschieden!«
    Die Mutter, in einem anderen, schärferen Ton: »Soll das eine Drohung sein, Johannes?«
    »Keine Drohung. Aber es soll dir sagen, dass deine Entscheidung mir die Rückkehr zu euch, in dieses Werk unmöglich
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