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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert
Autoren: Hans Fallada
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Motor ist da, acht Muttern greifen, aufsetzen ... Es ist so viel Lärm in dieser einen Morgen großen Halle, in der er mit fünfzehnhundert Mann und dreihundert Spezialmaschinen arbeitet. Das bisschen Geschimpf in seinem Rücken stört ihn kaum noch. Er ist in diesen Monaten, die er hier arbeitet, so viel gescholten worden!
    Alles, was er an Kraft, Willen, an Widerstand noch in sich hat, das frisst diese lächerliche Arbeit mit ihren acht Muttern. Es ist wahrhaftig so, als ginge die Welt unter, wenn er diese acht Muttern nicht zur Zeit aufsetzt.
    Wenn man sich das so vorstellt, dass ein Gott im Himmel sitzt, der es so eingerichtet hat, dass Johannes Wiebe essen und leben kann, wenn er sich gut Mühe gibt, acht Muttern aufzusetzen ... Und nun sitzt dieser Gott im Himmel da und passt gewissermaßen für den Werkmeister auf, gibt ihm einen Stoß: ›Du, der Johannes Wiebe hängt schon wiedernach!‹ – Da muss man nur grinsen, da muss man alles lächerlich finden, besonders wenn man daran denkt, dass man wegen einer genauso lächerlichen Sache, wegen einer durchlöcherten Schuhsohle, aus einem behaglichen Heim fortging ...
    »Jetzt lacht er noch! Hören Sie ...!« Der Werkmeister ist, wie man so sagt, sprachlos. »Sie halten das Band auf, und wenn ich Ihnen Vorhaltungen mache, dann lachen Sie noch!«
    »Entschuldigen Sie, Herr, ich habe nicht gelacht. Ich habe bloß gedacht ...«
    »Seht ihr, diese verdammten Deutschen! Ihnen passen unsere amerikanischen Arbeitsmethoden nicht, sie wollen denken! Sie wollen die Welt beherrschen, diese ...!«
    Er endet mit einem Fluch.
    Der kleine Irländer hat Sinn für Humor, er wirft einen raschen Seitenblick auf die jämmerliche Gestalt, die sich da mit ihren Schraubenmuttern abquält, und meint: »Sehr sieht der nicht nach Weltbeherrschung aus, was, Boss?«
    Ehe der Werkmeister sich in einen neuen Zornesausbruch steigern kann, tönt eine Stimme vom laufenden Band: »Was ist hier los?«
    Statt eines Motors ist ein Aufseher auf dem Transportwägelchen das laufende Band hinabgefahren. Sie machen das ab und zu, um die Arbeiter zu kontrollieren, und es gelingt ihnen vortrefflich, auch die Geschicktesten zu überraschen. Plötzlich – Johannes Wiebe hielt schon seine Mutter zwischen zwei spitzen Fingern – war da ein Paar Schuhe statt der Bolzen – und schon war der Mann zwischen ihnen.
    »Was ist hier los?«, fragt er. »Was ist mit dem Mann?«
    »Er hält das Band auf, Herr«, sagt der Meister plötzlichin einem ganz anderen Ton. »Seit Wochen hält er immer wieder das Band auf. Er ist zweimal angelernt worden, immer wieder stelle ich ihm Helfer. Zwei, drei Tage geht es, also kann er es. Und plötzlich kann er es wieder nicht.«
    »Sabotage?«, fragt der Aufseher den Werkmeister halblaut.
    Der Werkmeister zuckt die Achseln. »Er ist so ein verdammter Deutscher ...«, sagt er ausweichend.
    Der Aufseher will etwas sagen, besinnt sich und wendet sich an Johannes Wiebe.
    »He! Sie! Was ist das mit Ihnen? Wollen Sie nicht, oder können Sie nicht? He, Werkmeister! Schicken Sie mal einen Helfer! Ich will mit dem Mann mal einen Gang tun!«
    Der Werkmeister rief Sam, und aus den immer wartenden Helfern, die für die Leute einzuspringen hatten, die aufs Klo wollten, kam ein kleiner krummbeiniger Neger. Griff schon über die Schulter von Johannes weg, fasste die Muttern, setzt sie auf und begann eine schreiende, vergnügte Unterhaltung mit seinem Nebenarbeiter Jeff.
    »Das sind Arbeiter!«, sagte der Werkmeister anerkennend. »Mit denen hat man nie Ärger. Aber ihr ...!«
    Er sah unwillig dem Johannes Wiebe nach, der sich halb hinter dem Aufseher durch das Gewirr der Motorenmontage-Halle drängte.
    Erst als sie draußen waren, über die Gleisanlagen sprangen, an endlosen Ent- und Verladebahnhöfen vorüber, an ebenso endlosen anderen Hallen, in denen geschweißt und gehämmert wurde, fragte der Aufseher noch einmal: »Wollen Sie nicht, oder können Sie nicht?«
    »Oh, ich will schon, Herr!« (Dieses »Herr« ist ihm schon in Fleisch und Blut übergegangen.)
    »Und warum geht es manchmal, und manchmal geht es nicht? Eben lief das Band nicht sehr schnell.«
    »Ich weiß doch nicht, ich geb mir alle Mühe ...«
    »Sie sollen sich aber keine Mühe geben! Das ist eine Arbeit, die sich ganz von alleine tut. Überlassen Sie doch Ihren Fingern die Arbeit. Sie selbst werden nicht dafür gebraucht.«
    »Oh, es ist eine verdammte Arbeit! Es ist, als sei man bloß ein Stück Maschine, als sei man bis in
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