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Diebin der Zeit

Diebin der Zeit

Titel: Diebin der Zeit
Autoren: Vampira VA
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Klauen, und die Augzähne seines Gebisses traten weit über die Lippen hervor, während sich in seinen Pupillen das eigene dunkle Blut zu stauen schien und die Blindheit noch verstärkte.
    Was war los mit ihm? Was hatte sich wie Zentnergewichte an seine Schultern gehängt und versuchte ihn selbst in dieser Gestalt zu Boden zu ziehen?
    »Komm her!« quetschte er durch die Zähne. »Wir werden uns einig! Wir werden uns bestimmt einig! Komm!«
    Sein Befehl verpuffte im Nichts. In Leere und Finsternis.
    Aber nicht nur die Stimme, auch die Dirne selbst, der sie gehört hatte, schien sich verflüchtigt zu haben. Vielleicht war sie entsetzt davongerannt, als seine Umrisse entarteten ...
    ... aber dann hätte er ihre Schritte auf dem Pflaster hören müssen.
    Was ging hier vor?
    »Komm!« brüllte er noch einmal voller Inbrunst, und es war ihm gleichgültig, ob ihn vielleicht andere hörten.
    Sein Schrei verwehte.
    Ravaillac drehte seinen Körper wieder in jene Richtung, in der das Gehöft des Bauern Vaugard lag. Ohne sich noch einen einzigen Atemzug länger aufzuhalten, trieb er den allmählich wieder in seine menschliche Gestalt zurückfallenden Körper weiter von der Stadt weg. An Fliegen war nicht zu denken. Alles war viel schlimmer, als Ravaillac es erwartet hatte. Schlimmer als bei der Flucht vor zehn Tagen.
    Zermalmend!
    Er war nicht sicher, ob er seine Sippe überhaupt je wiedersehen würde. Zu Fuß und in dieser Verfassung schien es ein endlos weiter Weg .
    Bis die Stimme fragte: »Und du bist sicher, daß du keine Währung bei dir trägst, die mich entlohnen könnte, falls es mir in den Sinn käme, deinen schwachen Leib zu stützen und die darin verglimmende Begierde neu zu schüren ...?«
    Er fuhr herum.
    Und selbst dieses Drehen um die eigene Achse mutete ihm wie eine von eisigen Wassern umflossene Bewegung an - wie vorhin im Fluge.
    Vorhin .
    Es schien Tage, Wochen, Monate her zu sein, daß er des Fliegens mächtig gewesen war!
    Mit rauher Stimme fauchte er in die Nacht: »Wer bist du? Warum . kann ich dich nicht sehen?«
    »Weil du mir noch nicht geantwortet hast«, wisperte es in beiden Ohren, aus zweierlei Richtung, wie es ihm schien. »Willst du meine Gunst erwerben?«
    Ravaillac trieb inmitten von Gefühlen, die er nach der Gnade des ersten Todes nie wieder in sich verspürt hatte - dessen war er sich sicher. Es waren Gefühle von Lebenden, die nie gestorben, nie das schwarze Blut der Lilie getrunken hatten!
    Ganz plötzlich wußte er, daß das, was zu ihm sprach, keine einfache Dirne, keine der hiesigen »gemeinen Töchter« war - nicht einmal ein Mensch.
    Aber was dann?
    Was gibt es noch - neben UNS?
    »Bist du ... ein Dämon?« fragte er rauh. »Ein Ding aus der Zwi-schenwelt? Hast du die Stadt in diese Jauchegrube verwandelt, in der es keiner meiner Art mehr aushält?«
    »Ein Ding ...?«
    Eine Weile war es still um Ravaillac. So still, daß ihn fror. Der Boden schien sich in dunkle Schneekristalle zu verwandeln, die unter seinem Gewicht knirschten.
    Er ächzte und riß die Augen weiter auf, versuchte die Nacht mit seiner Magie zu teilen, schürfte in der allumfassenden Finsternis, die ihn wie der Kokon eines jenseitigen Insekts einspann, nach Licht . ..
    »Laß mich in Ruhe! Verschwinde!«
    »Du willst mich nicht? Was für ein dummer Stolz! Ich könnte all deine Leiden heilen. Ich könnte dir Befriedigung verschaffen, wie du sie nie gekannt hast und nie kennenlernen wirst - ohne mich .«
    Ravaillac biß sich so fest in die Unterlippe, daß ihm das schwarze Blut über das Kinn lief und auf die nackte Brust tropfte.
    Überall, wo es seine Haut berührte, fraß es Löcher in sein Fleisch. Fleisch, das unverzüglich zu stinken begann und ihn Ekel vor dem eigenen Körper empfinden ließ!
    »Wer bist du?«
    Sein Schrei blieb unerwidert.
    Weiter und weiter schleppte er sich durch die dichtgewebte Finsternis. Er war nicht sicher, ob er überhaupt die Richtung eingeschlagen hatte, um der Nekropole Paris zu entrinnen - ob er nicht doch noch von ihr verschlungen würde, weil er geradewegs auf sie zu wankte .
    *
    Racoon leckte das Blut von den Brüsten einer einfältigen Magd, die ihn auf seinen hypnotischen Befehl hin massierte und vage Lust in ihm entfachte. Das Heu des Schobers, in den er sich mit ihr zurückgezogen hatte, stach. Von draußen drangen die gequälten Schreie ei-nes Mannes.
    Racoon hatte Vaugard zuletzt gesehen, als der Bauer in seiner Wohnstube an einen Balken genagelt worden war. Zunächst hatte
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