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Diebe

Diebe

Titel: Diebe
Autoren: Will Gatti
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auf.
    Es ist keine zwei Tage her, seit sie die Bude verlassen haben, um den Job zu erledigen, den Fay ihnen aufgetragen hatte, aber es fühlt sich an, als wäre viel mehr Zeit vergangen, es fühlt sich irgendwie an, als müsste der Raum ganz anders aussehen. Tut er natürlich nicht, höchstens, dass er vielleicht noch ein bisschen unordentlicher wirkt als vorher. Eine Glühbirne hängt an einem langen Kabel von der Decke, auf dem Tisch in der Mitte stehen lauter schmutzige Teller und Gläser. Kleidungsstücke liegen wahllos verstreut auf den Schlafmatten der Jungen, die Simse unter den großen Fenstern sind nackt mit Ausnahme dessen, wo Demi seinen Platz hatte: Niemand hat seine Sachen angerührt, seine Matte ist ordentlich aufgerollt, und obendrauf steht ein altes Paar Turnschuhe, die wegzuwerfen er sich nicht entschließen konnte. Demis Fenster geht auf den ausgetrockneten Fluss, durch die schmierige Scheibe sieht man jedoch nichts als dunkle Nacht. Das Fenster auf der anderen Seite des Raums ist mit den Lichtern der Stadt gesprenkelt und dem orange funkelnden Feuer, das irgendwo im Barrio brennt. Der Herd zur Linken ist offen und kalt, auch die Tür zu Fays Zimmer rechts in der Ecke steht offen. Der Raum ist stickig und verströmt einen säuerlichen Geruch nach Rauch und alten Kleidern.
    Fay ist allein, sie sitzt in ihrem üblichen Sessel am Ende des Tisches, ein Krug mit Wein in Reichweite, ihr Handy neben dem Glas, aus dem sie trinkt, vor sich eine Zinnuntertasse, auf der sich Zigarettenstummel türmen. Von den dunklen Ringen unter den Augen abgesehen, ist ihr Gesicht totenbleich, ihr Haar bildet ein struppiges Gewirr in Orange, ihre cremefarbene Jacke ist fleckig und zerknittert. Sie sieht aus, als hätte sie eine Woche lang nicht geschlafen. Sie rührt sich nicht, blinzelt nicht einmal, als sie hereinkommen und in der Tür stehen bleiben, starrt nur zu ihnen herüber, als seien sie eine Erscheinung, nicht real.
    Demi ergreift als Erster das Wort. »Hey, Fay«, sagt er, »ham dir was mitgebracht.«
    Ihr Blick zuckt hinunter zu dem dicken Kasten, den er in der Hand hält, und ihre Augen weiten sich ein wenig, als sie erkennt, worum es sich handelt. Baz rechnet damit, dass sie jetzt anfängt zu toben und sie zu beschimpfen, doch stattdessen verzieht sich ihr Mund auf eine Weise, die man fast als Lächeln bezeichnen könnte. Sie schüttelt den Kopf. »Wie seid ihr hier reingekommen? Ich hab die Jungen alle rausgeschickt, dass sie nach euch Ausschau halten. Hab ihnen gesagt, wo sie sich hinstellen solln, jedem Einzelnen. Was habt ihr mit ihnen gemacht, Demi?«
    »Glaubst du nicht, dass wir schlau genug sind, um an einem Trottel wie Giacomo vorbeizukommen?«
    »Hab geglaubt, ihr wärt schlau genug, euch von hier fernzuhalten. Was hast du gedacht, Baz? War’s deine Idee, nach Hause zu kommen? Nein.« Sie schüttelt den Kopf. »Nehm nicht an, dass du’s warst – du hast ’n Sinn dafür, was sicher ist. Den hat Demi nicht, stimmt’s, Demi?« Sie kippt etwas Wein aus dem Krug in ihr Glas. Ihre Hand ist unsicher, wie Baz bemerkt, doch ihre Stimme ist klar. Selbst wenn sie kaum mehr stehen kann vom Wein, hat Fay trotzdem immer noch eine gestochen scharfe Aussprache.
    »Was soll das heißen, Fay? Wir sind hier nicht willkommen? Und das hier«, er hält den Kasten hoch, »das interessiert dich wohl auch nicht, all die wertvollen Sachen, die wir dir gebracht ham. Hältst es einfach irgendwo versteckt, dass wir nicht an das Zeug rankommen.«
    Fay zuckt mit den Schultern. »Hab die Jungen da draußen hingestellt, damit sie euch warnen, herzukommen, Demi, aber es sind nur noch drei da, und die taugen alle nix. Hab keinen Guten mehr, seit du weg bist und Miguel auch weg ist, weil er jetzt bei Eduardo ist.« Das Handy vibriert, rutscht seitwärts über den Tisch, bis Fay es in die Hand nimmt, die Nachricht liest und es wieder hinlegt. »Eduardo ist der neue große Mann, Demi, ihm gehört jetzt alles. Der neue Señor. Hat jetzt alle Schattenmänner unter seiner Gewalt. Moro ist Rattenfutter. Die Polizei hat ihn gefunden, mit’m Gesicht im Dreck, da, wo er hingehört. Und jetzt kommt Eduardo her, euretwegen.«
    »Wer hat ihm Bescheid gesagt?«
    »Ich hab ihm gar nix gesagt, der Junge kann selber denken. Lässt die Gegend überwachen. Ihr seid gut, aber ihr seid nicht unsichtbar.«
    »Wenn er so schlau ist, wie kommt’s dann, dass die Polizei hier alles niederreißt?«, sagt Baz.
    »Wenn hier alles abgerissen ist, was kommt
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