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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Autoren: Robin Hobb
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Gabenstraße. Ich schob sie zurück in die Vergangenheit. »Der Name ist nicht mehr Fitz«, sagte ich leichthin. »Hier bin ich Tom Dachsenbless.«
    »Ach ja?«
    Ich zwirbelte die weiße Haarsträhne über der Narbe an meiner Stirn. »Deswegen. Die Leute merken sich den Namen. Ich erzähle ihnen, ich hätte die weiße Strähne von Geburt an und meine Eltern hätten mich danach benannt.«
    »Verstehe«, erwiderte er ausdruckslos. »Nun, es entbehrt nicht einer gewissen Logik und scheint vernünftig.« Er lehnte sich zurück. Der alte Holzstuhl knarrte. »Ich habe etwas Seelentrost mitgebracht, wenn du die Becher spendierst. Außerdem ein paar von Köchin Saras Ingwerkuchen … Ich wette, du hast nicht erwartet, dass ich noch weiß, wie du dahinterher gewesen bist. Wahrscheinlich sind sie etwas zerdrückt, aber das tut dem Geschmack keinen Abbruch.« Nachtauge hatte sich bereits aufgerichtet. Er kam heran und legte die Nase auf die Tischkante. Sie zeigte schnurstracks auf die Satteltaschen.
    »Dann ist Sara immer noch Köchin auf Bocksburg?«, fragte ich, während ich nach zwei vorzeigbaren Bechern suchte. Eigentlich störte mich angeschlagenes Geschirr nicht, aber plötzlich war es mir peinlich, Chade so etwas hinzustellen.
    Chade stand vom Schreibtisch auf und kam zu mir in die Küche. »Nur sporadisch. Ihre alten Füße schmerzen, wenn sie zu lange steht. Sie hat sich einen großen Polsterstuhl auf ein Podium in einer Ecke der Küche stellen lassen. Von dort führt sie das Regiment. Sie bereitet die Speisen zu, an denen sie Spaß hat, die raffinierten Pasteten, die Gewürzkuchen und das Konfekt. Ein junger Mann namens Flammeri erledigt den Großteil der alltäglichen Kocherei.« Beim Reden packte er die Satteltaschen aus. Er stellte zwei Flaschen mit dem Siegel der Brennereien aus Sandsegge auf den Tisch. Ich konnte mich nicht erinnern, wann mir das letzte Mal ein so guter Tropfen durch die Kehle geronnen war. Die Ingwerkuchen – etwas zerdrückt, wie prophezeit, kamen zum Vorschein. Aus dem Leinentuch, in das sie eingeschlagen waren, rieselten Krümel. Der Wolf schnaufte tief, dann fing er an zu sabbern. »Auch sein Lieblingsgebäck, wie ich sehe«, bemerkte Chade trocken und warf ihm einen der Kuchen zu. Der Wolf fing ihn geschickt zwischen den Zähnen und trug ihn zum Kaminvorleger, um ihn dort in Ruhe zu verspeisen.
    Die Satteltaschen gaben in schneller Folge ihre übrigen Schätze preis. Ein Paket feinstes Schreibpapier, Fässchen mit blauen, roten und grünen Tinten. Eine dicke Ingwerwurzel mit knospenden Trieben, genau richtig, um für den Sommer eingetopft zu werden. Päckchen mit Kräutern. Ein seltener Luxus für mich: ein runder, reifer Käse. Und in einer kleinen hölzernen Schatulle andere Kleinigkeiten, bestürzend fremd in ihrer Vertrautheit. Habseligkeiten von einst, mit deren Verlust ich mich abgefunden hatte. Der Ring von Prinz Rurisk aus dem Königreich in den Bergen. Die Pfeilspitze, die des Prinzen Brust durchbohrt und ihn beinahe getötet hatte. Ein kleiner, geschnitzter Kasten, vor vielen Jahren von mir selbst gefertigt, als Behälter für meine Gifte. Ich machte ihn auf. Er war leer. Ich klappte den Deckel wieder zu und stellte ihn auf den Tisch. Darüber hinweg musterte ich Chade. Er war nicht einfach ein alter Mann, der kam, um mich zu besuchen. Er zog meine gesamte Vergangenheit hinter sich her, wie die bestickte Schleppe einer Dame in den Tanzsaal folgt. Als ich ihm die Tür öffnete, hatte ich meine alte Welt mit eingelassen.
    »Warum?«, fragte ich leise. »Warum, nach so vielen Jahren, hast du mich gesucht?«
    »Nun ja …« Chade zog einen Stuhl heran und ließ sich seufzend darauf nieder. Er entkorkte eine Flasche und schenkte uns ein. »Aus vielerlei Gründen. Ich sah Merle mit deinem Zögling. Ich wusste sofort, wer er war. Nicht, dass er dir ähnlich sieht, ebensowenig wie Nessel Burrich ähnelt. Doch er hat dein Gehabe, deine Art zu zögern und sich eine Sache zu betrachten, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, bevor er beschließt, ob er sich darauf einlassen will. Er hat mich so sehr an dich erinnert, als du in seinem Alter warst, dass …«
    »Du hast Nessel gesehen«, unterbrach ich ihn ruhig. Es war keine Frage.
    »Selbstverständlich«, antwortete er ebenso ruhig. »Soll ich dir von ihr erzählen?«
    Ich wagte nicht zu sprechen. Vorsicht, mir zur zweiten Natur geworden, warnte mich davor, ein zu großes Interesse an ihr zu bekunden. Dem entgegen sagte mir eine Ahnung,
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