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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Autoren: Robin Hobb
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Molly sich stattdessen mit einem Sohn oder zweien als Nachfolgern wird zufriedengeben müssen.« Er richtete den Blick aus dem Fenster. »Dein Name wurde in Nessels Beisein nicht erwähnt.«
    Ich drehte den Becher zwischen den Händen. »Was für Dinge interessieren sie?«
    »Pferde. Falken. Schwerter. Bei einem Mädel von fünfzehn Lenzen hätte ich ein wenig Geschnatter über junge Männer erwartet, aber dafür scheint sie nichts übrig zu haben. Mag sein, die Frau in ihr ist noch nicht erwacht, oder sie hat zu viele Brüder, um sich irgendwelchen romantischen Illusionen über das Mannsvolk hinzugeben. Am liebsten würde sie ausreißen und nach Bocksburg gehen und in eins der Gardebataillone eintreten. Sie weiß, dass Burrich dort früher Stallmeister gewesen ist. Einer der Gründe, weshalb ich ihn aufgesucht habe, war ihm diesen Posten wieder anzubieten. Burrich hat abgelehnt. Nessel versteht nicht weshalb.«
    »Ich schon.«
    »Ich ebenfalls. Davon abgesehen habe ich die Gelegenheit genutzt, ihm zu sagen, ich könnte in Bocksburg einen Platz für Nessel finden, selbst wenn er sich entschließen sollte, nicht auf seinen alten Posten zurückzukehren. Zur Not könnte sie mein Page sein, obwohl ich überzeugt bin, dass Königin Kettricken entzückt wäre, sie unter ihre Fittiche zu nehmen. Gib ihr die Möglichkeit zu sehen, wie es in einer Burg und in einer Stadt zugeht, lass sie die Luft bei Hofe schnuppern, sagte ich zu ihm. Burrich lehnte ab, bevor ich ganz ausgesprochen hatte und schien mein Angebot fast als Kränkung zu empfinden.«
    Unwillkürlich atmete ich erleichtert auf.
    Chade nahm noch einen Schluck Sandsegger und beobachtete mich. Wartete. Er wusste so gut wie ich, welches meine nächste Frage sein würde. Warum? Warum besuchte er Burrich, weshalb bot er ihm an, Nessel nach Bocksburg mitzunehmen? Auch ich trank und machte mir meine Gedanken über den alten Mann. Alt. Ja, aber nicht, wie die meisten Menschen altern. Sein Haar war schneeweiß, aber das Grün seiner Augen funkelte umso heller unter diesen hellen Locken. Ich fragte mich, wie hart er gegen seinen Körper war, um zu verhindern, dass die Jahre nicht nur auf seinen Schultern lasteten, sondern auch seinen Rücken beugten, welche Mittel er einnahm, um seine Lebenskraft zu erhalten und womit er in anderer Hinsicht dafür bezahlte. Er war älter als König Listenreich, und Listenreich lag nun schon seit vielen Jahren in seinem Grab. Ein königlicher Bastard aus derselben Linie wie ich, schien er bei Intrigen und Zwist prächtig zu gedeihen, was mir nicht gelungen war. Ich hatte dem Hof den Rücken gekehrt und allem, was damit zusammenhing. Chade hatte beschlossen zu bleiben und sich der nächsten Generation von Weitsehern unentbehrlich zu machen.
    »So, so. Und wie geht es Philia dieser Tage?« Ich wählte die Frage mit Bedacht. Neuigkeiten von meines Vaters Gemahlin waren meilenweit entfernt von dem, was ich wirklich in Erfahrung bringen wollte, aber ich konnte seine Antwort als Trittstein benutzen, um mich näher heranzutasten.
    »Lady Philia? Es ist einige Monate her, seit ich sie gesprochen habe. Ein ganzes Jahr, wenn ich mich recht entsinne. Sie residiert in Fierant, musst du wissen. Sie führt dort das Zepter und zwar gut. Ein Kuriosum, genau betrachtet. Als sie in der Tat Königin war und mit deinem Vater vermählt, hat sie sich stets im Hintergrund gehalten. Als Witwe war sie’s zufrieden, die exzentrische Lady Philia zu sein. Aber als alle anderen flohen, wurde sie – ohne Titel zwar, doch nach Verdienst – Königin von Bocksburg. Kettricken war gut beraten, ihr eine eigene Grafschaft zu geben, denn sie hätte niemals wieder als Untertan in Bocksburg leben können.«
    »Und Prinz Pflichtgetreu?«
    »Seinem Vater so ähnlich wie nur möglich.« Chade schüttelte den Kopf. Ich beobachtete ihn genau. Wie war diese Bemerkung gemeint? Wie viel wusste der alte Mann? Er runzelte die Stirn, als er fortfuhr. »Die Königin sollte ihn etwas mehr an der langen Leine laufen lassen. Im Volk spricht man von Pflichtgetreu wie von seinem Vater. ›Prinz Stocksteif nennen sie ihn und haben beinahe recht damit, fürchte ich.«
    Die kaum merkliche Veränderung seines Tonfalls entging mir nicht.
    »Beinahe?«, fragte ich.
    Chade bedachte mich mit einem fast entschuldigenden Lächeln. »In letzter Zeit ist der Junge nicht mehr er selbst gewesen. Er war von jeher ein Einzelgänger, aber das ist eine Folge seiner Stellung als einziger Prinz und Thronfolger. Er
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