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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Autoren: Robin Hobb
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freundliches Gesicht. »Ich glaube, ich werde den Jungen einfach jung sein lassen.«
    »Denkst du, das ist klug?«, fragte sie, aber sie lächelte dabei.
    »Nein.« Ich schüttelte langsam den Kopf. »Ich denke, es ist dumm und wundervoll.«
    »Ach so. Gut dann. Hast du noch Zeit für eine zweite Tasse Tee? Oder musst du dich eilen, wieder hinauf in die Burg zu kommen, wo dein eigener Herr dich erwartet?«
    »Ich bin heute Nacht von meinen Pflichten entbunden. Man wird mich nicht vermissen.«
    »Fein.« Die Hurtigkeit, mit der sie mir einschenkte, war schmeichelhaft. »Dann bleibst du also noch ein Weilchen. Wo man dich vermisst hat.« Sie trank. Über den Rand der Tasse hinweg lächelten ihre Augen mich an.
    Finkel auf meinem Schoß tat einen Schnaufer und begann tief und wohlig zu schnurren.

Epilog
    Es gab eine Zeit, als ich mir vorstellte, mein Lebenswerk sollte eine von mir verfasste Chronik der Sechs Provinzen sein. Mehrmals habe ich damit begonnen, den Entschluss in die Tat umzusetzen, doch jedesmal schweifte ich von den großen und bedeutenden Ereignissen ab zu den Tagen und Belangen meines eigenen kleinen Lebens. Je gründlicher ich die Zeugnisse anderer studierte, sei es in geschriebener Form oder was man mir erzählte, desto mehr wollte mir scheinen, dass uns die Geschichtsschreibung nicht dazu dient, Wissen über die Zeitläufte zu bewahren, sondern die Vergangenheit in geordneter Form ein für alle Mal festzulegen. Wie eine Blume, die wir pressen und trocknen und unter Glas legen, um sagen zu können, schau, sie ist genau wie an dem Tag, als ich sie pflückte. Doch wie die Blume, kann auch die Vergangenheit nicht auf diese Weise konserviert werden. Sie verliert ihren Duft und ihre Lebendigkeit, was Zartheit war, wird mürbe, und ihre Farben verblassen. Und holt man die Blume wieder einmal hervor, um sich an ihr zu erfreuen, erkennt man, das war nicht, was man festzuhalten suchte, und jener Augenblick ist unwiederbringlich dahin.
    Ich schrieb meine Fakten und Beobachtungen auf. Ich legte meine Gedanken und Erinnerungen auf Pergament und Papier nieder. So vieles hortete ich und glaubte, es wäre mein. Ich glaubte, wenn ich es in das geschriebene Wort fasste, könnte ich aus dem, was geschehen war, den Sinn herauskristallisieren, Ursache und Wirkung müssten deutlich werden und der Grund für jedes Ereignis mir klar vor Augen treten. Vielleicht trieb mich das unbewusste Bestreben einer Rechtfertigung vor mir selbst, nicht nur dessen, was ich getan hatte, sondern auch des Menschen, zu dem ich geworden war. Jahre hindurch schrieb ich getreulich fast jeden Abend, erklärte mir selbst haarklein meine Welt und mein Leben. Ich legte die Schriftrollen nebeneinander auf ein Regal und vertraute darauf, dass ich den Sinn meiner Tage in des Wortes Bedeutung fassbar gemacht hatte.
    Dann aber kehrte ich eines Tages zurück und fand all meine akribischen Aufzeichnungen als durchweichte Fetzen Papier in einem zertrampelten Hof liegen, während nasser Schnee auf sie fiel. Ich saß auf meinem Pferd, schaute darauf hinunter und wusste, diesmal wie künftig hatte die Vergangenheit sich meinem Bemühen entzogen, sie zu definieren und zu begreifen. Die Geschichte ist ebenso wenig starr und tot wie die Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht weiter entfernt als dein letzter Atemzug.

ISBN: 3-404-28336-8
    Original: Fool’s Errand (The Tawny Man, Book One) (2001)
    Ins Deutsche übertragen von Eva Bauche-Eppers
    Verlag: Bastei Lübbe
    Erscheinungsjahr: 2003
    Umschlaggestaltung: QuadroGrafik, Bensberg

    BIBLIOTHEK
    DER
    PHANTASTISCHEN
    LITERATUR
    Herausgegeben von Stefan Bauer

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