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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Autoren: Robin Hobb
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hat immer bedenken müssen, wer er ist, musste sich hüten, dass er nicht den einen oder anderen Gefährten bevorzugte. Dadurch hat er sich in sich selbst zurückgezogen. Doch letzthin hat sein Gemüt sich weiter verdüstert. Er ist geistesabwesend und mürrisch, dermaßen in sich gekehrt, dass ihm gar nicht bewusst zu sein scheint, was in den Menschen um ihn herum vorgeht. Er ist nicht unhöflich oder gleichgültig, wenigstens nicht absichtlich, aber …«
    »Wie alt ist er, vierzehn?«, warf ich ein. »Das klingt mir sehr nach Harm in letzter Zeit. Ich habe mir fast die gleichen Gedanken seinetwegen gemacht, dass er sich den Wind um die Nase wehen lassen sollte. Es ist Zeit, dass er auszieht und etwas Neues lernt, von einem anderen als von mir.«
    Chade nickte. »Sehr richtig. Königin Kettricken und ich sind in Bezug auf Prinz Pflichtgetreu zu dem gleichen Schluss gekommen.«
    Die Art, wie er es sagte, weckte in mir die böse Ahnung, dass ich soeben unwissentlich den Kopf in eine Schlinge gesteckt hatte. »Ach ja?«, sagte ich zurückhaltend.
    »Ach ja?«, äffte Chade mich nach und griff nach der Flasche, um sich nachzuschenken. Sein Grinsen verriet, dass das Katz-und-Maus-Spiel vorbei war. »Ja. Bestimmt hast du es erraten. Wir würden gern sehen, dass du nach Bocksburg zurückkehrst und den Prinzen in der Gabe unterrichtest. Und Nessel auch, falls man Burrich überreden kann, sie gehen zu lassen, und falls sie das Geschick dazu hat.«
    »Nein.« Ich sagte es schnell, um nicht der Verlockung zu erliegen. Ich bin nicht sicher, wie entschieden es klang. Chade hatte kaum ausgesprochen, da drängte es mich mit jeder Faser, die Einladung anzunehmen. Es war die Lösung, die so nahe liegende Lösung, nach all den Jahren. Eine neue Kordiale von Gabenkundigen heranziehen. Ich wusste, Chade hatte die Schriften und Tabellen für den Unterricht in seinem Besitz. Gabenmeister Galen und nach ihm Prinz Edel hatten sie uns seinerzeit böswillig vorenthalten. Doch jetzt konnte ich sie studieren, ich konnte mein Wissen vervollständigen und ich konnte andere unterweisen, nicht wie Galen es getan hatte, sondern wie es richtig war. Prinz Pflichtgetreu würde eine Kordiale haben, zu seinem Beistand und Schutz, und ich wäre nicht mehr einsam. Es würde jemand da sein, um mir zu antworten, wenn ich mit der Gabe rief.
    Und meine beiden Kinder würden mich kennen, wenn nicht als ihren Vater, so doch als eine wichtige Person in ihrem Leben.
    Chade war immer noch der alte schlaue Fuchs. Er musste meinen inneren Zwiespalt gespürt haben, denn mein Nein blieb nackt und bloß zwischen uns in der Luft hängen.
    Er hielt seinen Becher mit beiden Händen umschlossen und ließ wie auf der Suche nach Erkenntnis den Blick hineinsinken, was mich schmerzlich an Veritas erinnerte. Dann hob er wieder den Kopf, seine grünen Augen schauten ruhig in die meinen. Er fragte nicht, er drängte nicht. Er brauchte nichts weiter tun als warten.
    Dass ich seine Taktik durchschaute, machte mich nicht immun dagegen. »Du weißt, das kann ich nicht tun. Du kennst sämtliche Gründe, weshalb ich es nicht tun sollte.«
    Er schüttelte leicht den Kopf. »Eigentlich nicht. Weshalb sollte Prinz Pflichtgetreu sein Geburtsrecht als Weitseher vorenthalten bleiben?« Leiser fügte er hinzu: »Oder Nessel?«
    »Geburtsrecht?« Ich bemühte mich um ein bitteres Auflachen. »Es ist mehr eine Erbkrankheit, Chade. Es ist ein Hunger, und wenn man lernt, ihn zu befriedigen, entwickelt er sich zur Sucht. Eine Sucht, die mit der Zeit so stark werden kann, dass sie dich zwingt, die Straße zu betreten, die über das Hohe Reich hinausführt. Du weißt, was aus Veritas geworden ist. Die Gabe hat ihn aufgezehrt. Er hat sie benutzt, um sich seinen Wunsch zu erfüllen; er hat seinen Drachen erschaffen und wurde eins mit ihm. Er hat die Sechs Provinzen gerettet. Doch auch ohne die Bedrohung durch die Roten Korsaren wäre Veritas zu guter Letzt in die Berge gegangen. Jener Ort hat ihn gerufen. Es ist das vorherbestimmte Ende für jeden der Gabenkundigen.«
    »Ich verstehe deine Befürchtungen.« Es klang aufrichtig. »Aber ich glaube nicht, dass es so ist, wie du sagst. Ich bin überzeugt, dass Galen dir bewusst diese Ängste eingeimpft hat. Er lehrte dich nur, was er wollte, das du weißt, und er hat durch wohl berechnete Grausamkeiten in dir Blockaden errichtet. Aber ich habe die Gabenschriften studiert. Ich konnte nicht alles enträtseln, was darin enthalten ist, aber ich weiß, die
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