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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Autoren: Robin Hobb
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Kamin niedergebrannt war und die Kerzen auf dem Tisch dem Erlöschen entgegenflackerten. Ich braute mir Tee aus Elfenrinde, schwarz und gallenbitter. Er würde meinen Geist noch mehr verdüstern, doch er linderte auch die wütenden Schmerzen in meinem Kopf. Ich hatte die aufputschende Wirkung der Elfenrinde zur Arbeit an einer Beschreibung des Steinespiels und seiner Spielregeln genützt. Es war nicht mein erster Versuch, und jedesmal hatte ich das Unterfangen als hoffnungslos aufgegeben. Man kann es nur lernen, indem man es spielt, sagte ich mir. Diesmal ergänzte ich den Text um eine Reihe von Zeichnungen, die veranschaulichen sollten, wie ein typisches Spiel sich entwickelte. Als ich kurz vor dem Morgengrauen die Blätter beiseite schob, erschien mir das Geleistete wie der dümmste meiner jüngsten Versuche. Man konnte nicht mehr sagen, ich ging spät zu Bett, es war eher früh.
    Als ich aufwachte, war bereits der halbe Vormittag herum. In der hinteren Ecke des Hofes scharrten und gackerten die Hühner. Der Hahn krähte einmal. Ich stöhnte. Die Arbeit rief. Mein Gewissen sagte mir, es war Zeit, die Eier einzusammeln und eine Handvoll Körner auszustreuen, um das Federvieh bei Laune zu halten. Im Garten grünte alles wie um die Wette; das Unkraut schrie danach, gejätet zu werden. Und hatte ich mir nicht vorgenommen, die Reihe Fesk nachzusäen, die die Schnecken gefressen hatten und noch einen Vorrat Purpurbanner zu sammeln, solange es blühte? Mein letzter Versuch, Tinte daraus herzustellen, war fehlgeschlagen, aber ich wollte es noch einmal probieren. Holz wartete darauf, gehackt und gestapelt zu werden, Haferbrei wollte gekocht sein, der Kamin gefegt. Zu guter Letzt war da die Esche neben dem Hühnerhaus, wo der geknickte Ast abgesägt werden musste, bevor er beim nächsten Sturm auf den Stall genau darunter fiel.
    Und wir sollten zum Bach hinuntergehen und schauen, ob die Fische schon wandern. Frischer Fisch wäre gut. Nachtauge fügte seine eigenen Pläne meiner gedanklichen Liste von Erledigungen hinzu.
    Letztes Jahr wärst du fast gestorben an verdorbenem Fisch.
    Erst recht ein Grund, sich jetzt an ihnen zu laben, wo sie frisch sind und springen. Du könntest den Speer des Jungen nehmen.
    Und triefnass werden und frieren.
    Lieber triefnass und durchgefroren als hungrig.
    Ich drehte mich auf die andere Seite und schlief wieder ein. Na und? Gönnte ich mir eben einen faulen Tag. Wer merkte und wen kümmerte es? Die Hühner? Ich konnte grade erst die Augen zugemacht haben, als seine Gedanken mich anstießen.
    Wach auf, Bruder. Ein fremdes Pferd kommt.
    Augenblicklich war ich munter. Am Winkel der Lichtstrahlen, die ins Zimmer fielen, konnte ich erkennen, dass Stunden vergangen waren. Ich stand auf, zog mir den Kittel über, legte den Gürtel um und schlüpfte in meine Sommerschuhe: eigentlich nur Ledersohlen mit ein paar Riemen, um sie an den Füßen zu halten. Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht, rieb mir die brennenden Augen. »Sieh nach, wer es ist«, forderte ich den Wolf auf.
    Nicht mehr nötig. Er ist fast an der Tür.
    Ich erwartete niemanden. Merle kam drei-oder viermal im Jahr auf einige Tage zu Besuch und brachte mir Neuigkeiten und feines Schreibpapier und guten Wein, aber sie und Harm würden nicht jetzt schon, so bald, von der Bocksburg zurückkommen. Andere Besucher waren rar. Es gab Baylor mit seiner Kate und seinen Schweinen im Nachbartal, aber er besaß kein Pferd. Alle halbe Jahre kam ein Kesselflicker. Beim ersten Mal hatte er sich buchstäblich zu mir verirrt, in einem Gewitter, als sein Pferd anfing zu lahmen und er mein Licht zwischen den Bäumen hindurchschimmern sah. Seither fanden öfter Reisende ähnlicher Art den Weg zu mir. Der Kesselflicker hatte eine zusammengerollte Katze, das Symbol für ein gastliches Haus, in einen Baum neben dem Pfad zu meiner Hütte geritzt. Ich hatte das Zeichen entdeckt, aber belassen, denn ein Besucher ab und an war durchaus willkommen.
    Vermutlich war auch dieser Fremde ein verirrter Reisender oder ein wegmüder Händler. Ich sagte mir, ein neues Gesicht und ein wenig Unterhaltung wären nicht schlecht, konnte mich aber selbst nicht recht überzeugen.
    Ich hörte das Pferd draußen stehen bleiben und die leisen Geräusches eines Reiters, der aus dem Sattel stieg.
    Es ist der Graue. Der Wolf knurrte.
    Fast blieb mir das Herz stehen. Ich öffnete langsam die Tür, als eben der alte Mann die Hand hob, um anzuklopfen. Er schaute mich an, dann brach sein
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