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Die zweite Wirklichkeit

Die zweite Wirklichkeit

Titel: Die zweite Wirklichkeit
Autoren: Vampira VA
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Die Luft wurde stickiger. Und ...
    Es war wie damals. Genauso ...
    Und eine vage, noch nicht in Worte zu fassende Ahnung dämmerte in ihr.
    Du mußt dir deine Welt erst schaffen, hatte die Dreiheit gesagt. Lief am Ende alles - auf den Anfang hinaus?
    Endlich kam das Ende der Stufen in Sicht. Lilith ließ den Blick durch das unterirdische Gewölbe schweifen. Schmutzstarrend war er und uralt. Erstarrt wirkende Spinnweben klebten zwischen mor-schem Gebälk. Grob behauene Pfeiler stützten die niedrige Decke, die sie fast mit den Händen berühren konnte. Eisenketten und anderes Gerät, von dem sie nicht wußte, welchem Zweck es dienen mochte, hingen herab. Im Hintergrund machte sie eine seltsam anmutende Konstruktion aus, die ein klein wenig an eine Gerätschaft aus Dr. Frankensteins Labor erinnerte.
    Sie wußte, worum es sich dabei handelte. Damit waren die Bluttransfusionen durchgeführt worden.
    Sie wich all den im Weg stehenden und hängenden Dingen mit traumwandlerischer Sicherheit aus, während sie tiefer in das Gewölbe vordrang. Die Dreiheit hing ihr wie ein Schatten an.
    Lilith kannte ihr Ziel. Es lag in der Kellermitte. Auf einem kniehohen steinernen Podest ruhte es.
    Ein Holzsarg. Schwarzlackiert. Alt.
    98 Jahre alt, wie Lilith wußte.
    Sie zuckte nicht einmal zusammen, als sie ihren Vornamen auf dem ansonsten schlichten, zierlosen Deckel las.
    Sie ging davor auf die Knie. Ihre Finger tasteten über die erhabene Schrift. Dann legte sie die Hände um die Ränder des Deckels.
    Sie wußte, was sie darin finden würde. Wen sie darin finden würde. Und was sie damit auslösen würde.
    Einen Moment lang spielte sie ganz ernsthaft mit dem Gedanken, es nicht zu tun. Den Sarg nicht zu öffnen. Nicht geschehen zu lassen, was danach geschehen mußte. Sie würde sich so vieles damit ersparen.
    Aber gleichzeitig würde sie sich auch zu einem Leben in dieser zweiten, falschen Wirklichkeit verdammen. Und das mochte schlimmer sein als jenes andere Leben. Denn es würde vor allem eines sein: endlos .
    Lilith öffnete den Deckel. Lautlos schwang er in den Scharnieren nach oben.
    Und Lilith sah sich selbst -- erwachen!
    * Der Anblick war ihr nur für einen Sekundenbruchteil vergönnt. Dann wandte sie wie unter fremdem Zwang den Kopf, trat zurück.
    Die Dreiheit war verschwunden. Aber neben den Spuren, die sie auf dem Weg hierher im Staub am Boden hinterlassen hatten, führte eine weitere Spur zurück.
    Lilith folgte der Fährte, doch auf halbem Wege machte sie noch einmal Halt, widersetzte sich dem vagen Zwang, der sie zur Treppe hinführen wollte. Es gab noch etwas, das sie tun wollte hier unten. Weil es das letzte Mal war, daß sie es tun konnte.
    Hinter einem der Steinpfeiler wurde Lilith fündig. Ein aufgeworfener Erdhügel türmte sich dort. Ein Grab. An einem der Enden steckte ein steinernes Mal in der Erde, das der Form einer Lilie nachempfunden war. Darauf stand:
    Wenn Liebe könnte Wunder tun und Tränen Tote wecken dann würde dich gewiß nicht hier die kühle Erde decken. Sean Lilith kniete nieder, legte die Hände auf den Grabhügel. Tränen trübten für einen Moment ihren Blick.
    »Bye, Mom«, nahm sie ein allerletztes Mal Abschied von ihrer Mutter. Dann erhob sie sich und folgte weiter der Spur im Staub.
    Aber es hätte dieser Fährte nicht einmal bedurft. Lilith wußte, wohin sie führen würde. Wie sie auch alles andere wußte. Und als Wahrheit erkannte.
    *
    Lilith Eden war ein Kind zweier Welten: ihre Mutter eine Vampirin, ihr Vater ein Mensch. Die Geburt eines solchen Kindes war nur möglich, wenn wahre Liebe zwischen den Partnern der beiden so unterschiedlichen Rassen bestand - und bei Creanna und Sean Lan-caster war es so gewesen. Wenn auch nur deshalb, weil Creanna schon bei ihrer Vampirwerdung von einer geheimnisvollen Macht dafür konditioniert worden war.
    Die Alte Rasse strafte den Verrat einer der ihren mit Verfolgung und Tod. Doch Liliths Eltern waren den Vampiren entkommen. In Sydney hatten sie im Jahre 1896 vorübergehend Sicherheit gefunden.
    Creanna war bei Liliths Geburt im selben Jahr gestorben. Doch ihr Vater hatte alle Weisungen seiner Geliebten befolgt und das Haus, in dem sie gelebt hatten, zu einer magisch gesicherten Festung »ausgebaut«. Lilith selbst sollte schlafend 100 Jahre dort zubringen. Erst dann würde sie reif sein für ihre »Bestimmung«.
    Sean Lancaster wußte nicht, worin diese Bestimmung bestand, daß auch sie bereits vorbestimmt war, ja daß ihrer beider Liebe und die
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