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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit
Autoren: George R. R. Martin
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wer weiß? Vielleicht erblickt er auf einem Ausflug einen Geist, der durch die Nebel schwebt. Oder etwas, das er für einen Geist hält. Und dann wird er glücklich nach Hause reisen, weil er Teil einer Legende war. Er hat ein kleines Stückchen Schöpfung berührt, das von Männern von der Sorte Dubowskis nicht alle Ehrfurcht und alles Wundersame entrissen bekommen hat.“
    Er wurde still und starrte verdrossen in sein Glas. Schließlich fuhr er nach einer langen Pause fort. „Dubowski! Pah! Er bringt mich zum Kochen. Er kommt hierher mit seinem Schiff voller Speichellecker und seiner Millionen-Kredit-Subvention und all seinen Apparaturen, um nach Geistern zu suchen. Oh, er wird sie schon finden. Das ist es, was mir Angst macht. Entweder wird er beweisen, daß sie nicht existieren, oder er wird sie finden – und sie entpuppen sich als eine Art Halbmenschen oder Tiere oder so etwas.“
    Er leerte sein Glas wieder, ungestüm. „Und das wird alles kaputtmachen. Ruinieren, verstehen Sie! Er wird alle Fragen mit seinen Apparaturen beantworten, und es wird nichts für irgend jemanden sonst übrigbleiben. Es ist nicht fair.“
    Ich saß da und schlürfte still an meinem Drink und sagte nichts. Sanders bestellte noch einen. Ein böser Gedanke kreiste in meinem Schädel. Schließlich mußte ich ihn laut aussprechen.
    „Wenn Dubowski alle Fragen beantwortet“, sagte ich, „dann wird es keinen Grund mehr geben, hierherzukommen. Und Sie werden das Hotel aufgeben müssen. Sind Sie sicher, daß nicht das der Grund ist, weshalb Sie so besorgt sind?“
    Sanders funkelte mich an, und einen Augenblick lang dachte ich, er würde mich schlagen. Aber er tat es nicht. „Ich dachte, Sie wären anders. Sie haben den Niedergang des Nebels gesehen und begriffen. Jedenfalls dachte ich, Sie hätten begriffen; irgendwie. Aber ich schätze, ich hatte unrecht.“ Er ruckte mit dem Kopf Richtung Tür. „Raus“, sagte er.
    Ich stand auf. „Schon gut“, sagte ich. „Es tut mir leid, Sanders. Aber es ist mein Job, unangenehme Fragen wie diese zu stellen.“
    Er ignorierte mich, und ich verließ den Tisch. Als ich die Tür erreichte, drehte ich mich um und schaute durch den Raum zurück. Sanders starrte wieder in sein Glas und sprach laut mit sich selbst.
    „Antworten“, sagte er. Er ließ es unanständig klingen. „Antworten. Immer müssen sie Antworten haben. Aber die Fragen sind so viel feiner. Warum können sie sie nicht in Ruhe lassen?“
    Dann ließ ich ihn allein. Allein mit seinen Drinks.
     
    Die nächsten paar Wochen waren hektisch, für die Expedition und für mich. Dubowski ging gründlich an die Dinge heran, das mußte man ihm lassen. Er hatte seinen Angriff auf Geisterwelt mit methodischer Präzision geplant.
    Zuerst kam das Kartographieren. Dank der Nebel waren die Karten, die es von Geisterwelt gab, nach modernen Standards sehr roh. Deshalb schickte Dubowski eine ganze Flotte von Robosonden aus, ließ sie über die Nebel gleiten und deren Geheimnisse mit hochentwickelten Aufnahmevorrichtungen stehlen. Mit den Informationen, die hereingeströmt kamen, wurde eine detaillierte Topographie der Gegend zusammengestückelt.
    Nachdem dies getan war, benutzten Dubowski und seine Assistenten die Karten, um sorgfältig jede registrierte Geistererscheinung seit der Gregor-Expedition zu verzeichnen. Beträchtliche Daten über die Erscheinungen waren natürlich schon lange, bevor wir die Erde verließen, aufgestellt und analysiert worden. Intensiver Gebrauch der konkurrenzlosen Geistersammlung in der Wolkenschloß-Bibliothek füllte die Lücken, die noch geblieben waren. Wie erwartet, waren die Erscheinungen in den Tälern um das Hotel herum – dem einzigen ständigen menschlichen Aufenthaltsort auf dem Planeten – am häufigsten.
    Als die Verzeichnung beendet war, stellte Dubowski seine Geisterfallen auf, wobei er die meisten davon in den Gegenden verteilte, aus denen am häufigsten von Geistern berichtet worden war. Er stellte jedoch auch ein paar in fernen, abgelegenen Gegenden auf, einschließlich jener Meeresküsten-Ebene, auf der Gregors Schiff den ersten Kontakt gehabt hatte.
    Die Fallen waren natürlich keine wirklichen Fallen. Es waren gedrungene Duraluminium-Säulen, beladen mit nahezu jeder Art von Wahrnehmungs- und Aufzeichnungsgerät, das der irdischen Wissenschaft bekannt war. Für die Fallen waren die Nebel fast nicht vorhanden. Geriet ein unglücklicher Geist in den Überwachungsbereich, gab es für ihn keine
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